Khenn hat Siana und ihren Papa auf ihrer Rundreise in die Wüste begleitet. Während Siana spät in der Nacht bereits schläft, sitzen Khenn und ihr Papa noch auf einem Dünenhang und unterhalten sich – unter anderem über die Bedeutung von Namen ...

„Erinnere mich aber lieber nicht an die Bedeutung von meinem Namen“, erklärt Sianas Papa. „Mir fallen dabei nur meine sämtlichen Jugendsünden ein.“

„Dann wurde dir vielleicht ein Missverständnis beigebracht“, erwidert Khenn.
„Daniel bedeutet: ’Gott ist mein Richter’. Ich weiß nicht, was man daran falsch verstehen könnte.“

„Nun, Begriffe wie ‘Gerechtigkeit’, ‘Rechtfertigung’ und ‘Gericht’ hatten in den Sprachen der Bibel nicht die rein gesetzliche Bedeutung von Belohnen und Bestrafen.“
Sianas Papa zieht die Augenbrauen hoch. „Was bedeuten sie dann?“

„Das Wort ‘Gerechtigkeit’ meint im Hebräischen, eine rechte Beziehung zu haben, die in Ordnung ist. Die Gerechtigkeit Gottes bedeutet deshalb, dass Gott alles tut, um seine Verbindung zum Menschen zu halten; oder sie wieder herzustellen und in Ordnung zu bringen.“

„Die Gottesgerichte im Alten Testament hören sich aber nicht so harmlos an.“

„Ich weiß. Aber Gott setzte sie erst ein, nachdem Er jahrzehntelang Propheten mit erschütternden Botschaften zu einem Volk geschickt hatte, das völlig verkommen war. Als sie selbst seine Propheten töteten, ließen sie Ihm keine andere Wahl mehr, als hart einzugreifen, damit Er sie überhaupt noch zur Besinnung bringen konnte. Er liebte sie jedoch so sehr, dass Er dabei das Risiko einging, völlig missverstanden zu werden. Ich habe große Achtung vor Ihm, dass Er lieber seinen guten Ruf verlor, als alle seine Menschenkinder zu verlieren.“

„Na gut. Und was bedeutet es deiner Meinung nach, wenn Gott dein Richter ist?“

„Es bedeutet für mich, dass Er mein Gott ist, der mir nachgeht, der mich nicht fallen lassen sondern mich retten will, und sei es durch Dinge, die mir jetzt vielleicht unverständlich und unangenehm sind. Er möchte eine feste und vertrauensvolle Beziehung mit mir aufbauen. Dieses Vertrauen ist Ihm so wichtig, dass Er vor dem ganzen Universum bereit war, dafür zu sterben.“

„Du hast manchmal schon ungewöhnliche Ansichten über Gott.“

„So ungewöhnlich sind sie nicht. Versuch dir einmal vorzustellen, du bist mit deinem kleinen Mädchen hier in der Wüste. Du weist sie an, in deiner Nähe zu bleiben, weil du sie vor Gefahren schützen willst. Trotzdem läuft sie weg. Aber kaum ist sie über die Düne, da hörst du ihren Schrei. Du rennst zu ihr hinüber und entdeckst, dass sie von einer Schlange bedroht wird, deren Biss den Tod bedeutet. Was empfindest du in dem Augenblick? Würdest du ihr zurufen, die Schlange solle sie jetzt zur Strafe für ihren Ungehorsam beißen, und dass du sie anschließend noch gehörig übers Knie legen wirst?“

„Frag mich nicht solche albernen Sachen. Natürlich würde ich alles versuchen, um sie zu retten, und wäre mehr als froh, wenn ich sie heil aus dieser Sache herausbringe.“

„Denkst du, Gott empfindet es anders? Er ging sogar so weit, dass Er sich mit der Schlange, die Satan heißt, auf eine Auseinandersetzung einließ – eine Auseinandersetzung, die am Kreuz für Gott tödlich endete. Du würdest dasselbe wagen, weil du Siana so sehr lieb hast, dass du gar nicht anders könntest oder wolltest.“

Khenn weist mit der Hand über die Sanddünen der Wüste. „Sieh sie dir an:

‘Freuen wird sich das dürre Land und die Wüste wird aufblühen wie eine Lilie.
Sie wird in voller Blüte stehen, denn sie wird die Herrlichkeit unseres Gottes sehen.
Deshalb stärkt die müden Hände. Sagt denen, die im Herzen verzagen:
Habt keine Angst! Seht, da ist euer Gott. Er kommt selbst und wird euch erlösen.’ “

Khenns Blick hängt in der Weite der mondversilberten Wüste. „Hör nur, Gott wird das verwirklichen. Er möchte alles wieder in Ordnung bringen – auch unsere Beziehung zu Ihm, wenn wir Ihn lassen, und alles Verwüstete in unserem Herzen, in unserem Wesen. ... Und die Wüste wird blühen wie eine Lilie.“