Blinder Glaube?

“Blinder Glaube?“ ist ein zusammenhängender und fortlaufend zu lesender Artikel. Um jedoch später bei Bedarf einzelne Abschnitte schneller finden zu können, sind hier die Teilüberschriften aufgelistet:

Wahres Gottvertrauen oder blinder Glaube?

Der unerklärliche Auftrag Gottes für Abraham

„Abraham!“ Der weißbärtige Mann hebt den Kopf, als er seinen Namen hört. Doch es ist niemand da. „Abraham!“ Wieder diese Stimme, und Abraham weiß aus den Erfahrungen vergangener Tage: Das ist Gott, der ihn ruft. „Herr, hier bin ich“, antwortet er. Darauf gebietet ihm Gott: „Nimm deinen Sohn Isaak, den du liebhast, geh mit ihm in das Land Morija, und opfere ihn dort als Brandopfer auf einem Berg, den ich dir zeigen werde.“

Abraham erschrickt zutiefst. Es ist wie ein heißer Schauer, der ihn durchfährt. Kann Gott das wirklich gesagt haben? Jahrzehnte lang hatten er und seine Frau Sarah, die unfruchtbar war, darauf gewartet, dass Gott sein Versprechen einlöst und ihnen einen Sohn schenkt. Erst als Abraham hundert Jahre alt war und seine Frau neunzig, da wurde Isaak geboren. Inzwischen ist er ein Jüngling und Abraham liebt den stillen und gehorsamen Jungen über alles. Was verlangt Gott jetzt von ihm? Er kann es kaum glauben, und doch weiß er: Es ist wahr, das ist Gottes Stimme gewesen ...

Er erzählt Sarah nichts davon, sie würde es nicht fassen können und ihn daran hindern wollen, das Furchtbare zu tun. Nach einer schlaflosen Nacht des Ringens mit sich selbst steht er in aller Frühe auf. Er weckt Isaak und sagt ihm, dass sie gehen würden, um Gott ein Opfer zu bringen ... auch wenn er ihm noch verheimlicht, welches. Isaak wundert sich nicht über diesen Plan, denn sein Vater war Gott treu und sie hatten schon an verschiedenen Orten zusammen Opfer dargebracht. Ohne zu zögern folgt er seinem Vater nach draußen. Und Abraham macht sich mit ihm auf den Weg, er wird Gott gehorchen und es tun ... (s. 1Mo 22,1-6).

Wie konnte Gott so etwas verlangen? Und warum gehorchte Abraham blind und widerspruchslos?

Die Frage nach der Wahrheit

Ein Geschehen nahezu zweitausend Jahre später ...

Freitag Früh. Ein Mann wird angeklagt, gegen die Regierung des römischen Staates gearbeitet zu haben und des Todes würdig zu sein. Die aufgebrachte Menge steht vor der offenen Gerichtshalle in Jerusalem. Pilatus, der repräsentative Statthalter Roms, geht nach verhandelnden Gesprächen in die offene Halle hinein. Dort steht Er, den sie zu ihm gebracht haben. Er wirkt übernächtigt. Dennoch strahlt Er Frieden und Güte aus, und es liegen Adel und Würde in seiner Haltung.

Eigenartig berührt von diesem Mann, zieht Pilatus Ihn schließlich am Arm beiseite, fort von den Wachen und aus dem Blickfeld der Menge draußen. Er sieht Jesus aufmerksam in die Augen und fragt Ihn ernst: „Bist Du der König der Juden?“

Jesus antwortet ihm ruhig und taktvoll mit einer Gegenfrage, um Pilatus die Gelegenheit zu geben, die richtige Seite zu wählen: „Sagst du das, weil du es ehrlich über mich wissen möchtest, oder weil andere das als eine Anschuldigung über mich sagen?“

„Bin ich einer deiner Landsleute? Dein eigenes Volk und eure Geistlichkeit haben Dich mir übergeben“, wehrt jedoch Pilatus seine inneren Regungen ab. „Was also hast Du wirklich getan?“

„Mein Reich ist nicht von dieser Welt. Wenn es ein irdisches Reich wäre, dann hätten meine Diener darum gekämpft, dass ich nicht ausgeliefert würde. Aber mein Reich ist nicht auf der Erde.“

„Also bist Du doch ein König?“

„Du sagst es, dass ich ein König bin“, versucht Jesus ihn noch einmal zu erreichen und spricht jene bedeutenden Worte: „Denn ich bin dazu geboren und zu dieser Erde gekommen, damit ich für die Wahrheit zeuge. Jeder, der mit Aufrichtigkeit offen dafür ist, nimmt die Wahrheit an, die ich verkünde.“

„Was ist die Wahrheit?“, erkundigt sich Pilatus forschend. Doch das Geschrei draußen hat so überhand genommen, dass er nicht die Antwort abwartet. Er wendet sich von Jesus ab und geht hinaus ... ein unwiederbringlicher Fehler für Pilatus ... (s. Joh 18,33-38).

Die Frage blieb unbeantwortet. Johannes, der Jünger Jesu, der diese Begebenheit aufgezeichnet hat, gibt schließlich viele Jahre später die Antwort am Schluss seines Briefes: ’Wir wissen, dass der Sohn Gottes gekommen ist und uns das Verständnis gegeben hat, damit wir den Wahrhaftigen erkennen. Dieser ist der wahrhaftige Gott und das ewige Leben.’ (i. 1Jo 5,20)

Warum aber war es notwendig, dass Jesus kam, um uns Gott erkennen zu lassen?

Im Anschluss an diese Aussage beendete Johannes seinen Brief mit einem überraschenden Nachsatz: ’Geliebte, hütet euch aber vor den Götzen!’ (i. 1Jo 5,21).

In seinem Brief beschrieb er eindrücklich: ’Gott ist Liebe. Und wir haben die Liebe, die Gott zu hat, geglaubt und erkannt.’ Und im vorletzten Satz erklärt er, dass wir Gott und seine Liebe durch Jesus erkennen. Warum endet er nun mit diesem seltsamen Nachsatz über Götzen? Es war ihm offensichtlich so wichtig, dass er ihn uns als einen letzten Eindruck am Ende seines Briefes hinterließ. Aber warum war ihm das so unglaublich wichtig?

Das betrifft uns in unserem Land ohnehin nicht, denken wir vielleicht, – bis wir nachfragen: Was ist eigentlich ein Götze? Ist ein Götze der richtige Gott? Nein, es ist ein falscher Gott, und es ist das Bildnis eines falschen Gottes – es ist also ein ’falsches Gottesbild’. Daher sagte Johannes im Grunde genommen: ‘Geliebte, hütet euch vor falschen Gottesbildern!’

Damit bekommt dieser Satz auf einmal einen Sinn, der auch uns heute persönlich betrifft. Denn glauben wir wirklich, dass Gott die Liebe ist und uns liebt, wie Johannes in seinem Brief schrieb? Oder müssen wir uns vor falschen Gottesbildern hüten? Kann es sein, dass wir ein falsches Bild von Gott bekommen haben? Durch übernommene Ansichten? Durch Unwahrheiten in der Religion? Oder vielleicht durch ein nicht richtig verstandenes Altes Testament?

Wie ist Gott wirklich? Warum musste uns Jesus die Wahrheit über Gott bezeugen? Und warum muss Johannes uns vor falschen Gottesbildern warnen?

Alles begann Tausende von Jahren vor diesem Brief. Auch Gott wusste damals eine ernste Warnung aussprechen. Er warnte fürsorglich die ersten Menschen davor, von dem Baum der Erkenntnis des Guten und des Bösen zu essen – sie würden sterben, wenn sie sich von Ihm, ihrem Gott, abwenden und Ihm nicht gehorchen. „Nein“, behauptete dann Satan getarnt als Schlange an diesem Baum, „ihr werdet auf keinen Fall sterben, sondern Er will nicht, dass ihr selbst weise werdet.“ (s. 1Mo 3,1-5). Zwischen den Zeilen sprach er damit die harte Anklage aus: Gott droht euch mit dem Tod. Er ist willkürlich, herrschsüchtig und verlangt von euch blinden Gehorsam ... Und die Menschen glaubten dieser Lüge ... bis heute ...

Die ersten Opferungen

Tötet Gott nun wirklich jeden, der ungehorsam ist? Will Er blinden Gehorsam? Hat Abraham das auch so verstanden und deshalb Opfer dargebracht ... ja, war sogar bereit seinen Sohn blind zu opfern? Und warum brauchte Gott überhaupt Opfer?

Wann gab es das erste Opfer? In der Bibel lesen wir, dass bereits die beiden Söhne Adams ihre Opfer Gott darbrachten. ’Kain brachte Ackerfrüchte als Opfergabe, und Abel opferte die Besten seiner Schafherde. Gott wandte sich Abel und seiner Opfergabe zu, jedoch nicht Kain und dessen Opfer. Daraufhin wurde Kain wütend und senkte finster sein Gesicht. Gott sprach mit Kain darüber und fragte: „Warum bist du wütend und senkst dein Gesicht? Ist es nicht so, dass du frei aufschauen kannst, wenn du recht handelst? Wenn du aber nicht recht handelst, will Satan mit der Sünde in deine Tür eindringen. Nach dir verlangt er, aber du sollst über ihn herrschen.“ (i. 1Mo 4,3-7).

Wenn man diese Geschichte liest, mag man sich vielleicht fragen: Ist hier nicht auch wieder ein willkürlicher Gott? Das eine Opfer nimmt Er an, das andere lehnt Er einfach willkürlich ab? Einerseits beantwortet Kain die Frage zum Teil selbst. Er bringt daraufhin rachsüchtig und eifersüchtig seinen Bruder um. Gott kannte ganz sicher sein Herz und wusste, mit welcher Einstellung er das Opfer brachte.

Andererseits wird auch klar, dass die beiden Brüder also bereits wussten, dass man Opfer darbringt. Es können daher nicht die ersten Opfer gewesen sein. Jemand muss es ihnen gezeigt haben. Als ihre Eltern damals in Eden in Sünde gefallen waren, wird berichtet, dass Gott sie mit Fellen bekleidete (s. 1Mo 3,21). Felle stammen von einem toten Tier. Da später Abel wusste, dass ein Schaf das rechte Opfer ist, können wir rückschließen, dass Gott die Felle von Opferschafen genommen hatte und somit den ersten beiden Menschen den Opferdienst erklärte und auftrug. Schon gleich nach ihrem Sündenfall hatte Er vorausgesagt, dass ein Erlöser kommen würde, der Satan besiegt ... und das Satan Ihn dafür leiden lassen würde. Und das war es, worauf die Opfer hinwiesen – auf das wahre Opferlamm, auf den verheißenen Erlöser. Als Jahrtausende später Johannes der Täufer Jesus zu sich kommen sah, rief er aus: “Seht das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnehmen wird.’ (i. Joh 1,29).

Die Opfer sollten also symbolisch die Sünden wegnehmen, etwas das nur Jesus wirklich tun konnte. Die Opfer im Alten Testament wiesen also auf Ihn hin. Er würde für die Menschen leiden ... und sterben.

Bedeutung der Opfer und Gelübde im Alten Testament

Was wurde als Opfer dargebracht? Als Opfer für Sünden waren das immer reine Tiere – Schafe, Ziegen, Rinder und Tauben. Als Dankopfer gab es auch Speisen, zum Beispiel von Getreide. Und es gab noch etwas, das als Opfer bezeichnet wurde. Eine bestimmte Geschichte dazu sorgte oftmals für Verwirrung und Missverständnisse:

’Jeftah, ein Richter und Oberhaupt in Israel, legte dem Herrn gegenüber ein Gelübde ab und sagte: „Wenn Du mir wirklich im Krieg gegen die Ammoniter den Sieg gibst, dann soll derjenige, der mir aus der Tür meines Hauses als erstes entgegen kommt, dem Herrn gehören – wer immer das auch sei. Ich will ihn als Ganzopfer geben!“

Darauf zog Jeftah mit dem Heer zu den Ammonitern, um gegen sie zu kämpfen. Der Herr gab ihm den Sieg über sie, und Jeftah kehrte zu seinem Haus zurück. Da kam seine Tochter heraus und ging ihm jubelnd und tanzend entgegen. Außer ihr hatte er weder einen Sohn noch eine Tochter. Und als er sie sah, zerriss er vor Entsetzen und Schmerz seine Kleider und rief aus: „Oh, meine Tochter! Ich selbst habe meinen Mund groß aufgetan und dem Herrn ein Gelübde geschworen, und ich kann es nicht mehr rückgängig machen!“

Da sagte sie zu ihm: „Mein Vater, dann tu mit mir, wie du es mit deinem Mund geschworen hast. Gewähre mir nur das eine: Gib mir zwei Monate Zeit, damit ich mit meinen Freundinnen in die Berge gehen kann, um darüber zu weinen, dass ich Jungfrau bleiben werde.“

Darauf antwortete er: „Geh nur hin!“

So ging sie. Und am Ende der zwei Monate kehrte sie zu ihrem Vater zurück. Da löste er an ihr sein Gelübde ein, das er abgelegt hatte. Sie hatte aber nie einen Mann gehabt.’ (i. Richter 11,30-39).

Als Dank für einen Sieg schwor Jeftah, jemanden als Ganzopfer zu geben. Manchmal wird es so ausgelegt, als habe er dann tatsächlich seine Tochter auf dem Altar geopfert und verbrannt.

Gott hatte jedoch an anderer Stelle Menschenopfer verboten und sie als Gräuel bezeichnet, die Ihm verhasst sind (s. 5Mo 12,31). Auf dem Altar verbrannte Menschenknochen machten den Altar unrein. (s. 2Kö 23,16). Gott hätte nach diesen Aussagen ein Menschenopfer niemals billigen können. Jeftah hat das ganz sicher gewusst, denn er war ein gläubiger Mann, der vom Heiligen Geist geleitet wurde. (s. Heb 11,32-33). Als er nun gelobte, zu opfern, was ihm als erstes aus dem Haus entgegenkommt, muss er mit einem Menschen gerechnet haben. Wie hätte er etwas geloben können, das Gott ein verhasstes Gräuel ist und seinen Altar unrein machen wird?

Wenn man die Geschichte aufmerksam liest, stellt man allerdings fest, dass an keiner Stelle steht, Jeftahs Tochter sei getötet worden. Sie beweinte auch nicht ihren Tod, sondern dass sie Jungfrau bleiben würde. Als Jeftah sein Gelübde ablegte, sprach er von einem ’Ganzopfer’ – so lautet die wörtliche Übersetzung des hebräischen Wortes für dieses Opfer. Ein solches Ganzopfer gehörte immer ganz dem Herrn. Das konnten Tiere oder Gegenstände sein, aber auch Menschen, die dem Dienst für Gott geweiht und geheiligt wurden. So darf man begründet davon ausgehen, dass Jeftah seine Tochter dem Heiligtumsdienst weihte. In den Wirren seiner damaligen Zeit war ihm möglicherweise nicht mehr das Gesetz bekannt, das besagte, dass er seine Tochter hätte auslösen können. Die Auslösepreise für alle Geweihten waren festgelegt. Je nach Alter hätte Jeftahs Tochter 10 oder 30 Schekel Silber zum Auslösen gekostet. (s. 4Mo 18,15-16; 3Mo 27, 2.4-6.9. 13-15). Vielleicht wollte Jeftah aber auch nicht von seinem Gelübde zurücktreten.

Seine Tochter wurde damit völlig dem Heiligtumsdienst geweiht, ohne jemals zu heiraten. Es war damals nicht einfach für eine Frau, auf Ehe und Mutterschaft zu verzichten, deshalb weinte sie darüber, dass sie Jungfrau bleiben würde, weihte sich aber dann willig dem Dienst an Gott und seinem Heiligtum.

Jeftahs Tochter ist auch nicht die einzige Person, die als Opfer bezeichnet wird. Gott sagte zu Mose: “Der Hohepriester Aaron bringe den Stamm der Leviten als Schwingopfer vor dem Herrn dar, damit sie den Dienst für den Herrn verrichten. Sondere die Leviten aus den Stämmen Israels aus, damit sie mir gehören. Denn sie sind mir ganz zu eigen gegeben.“ (i. 4Mo 8,11.14.16).

Der Stamm der Leviten wurde als ’Schwingopfer’ Gott geweiht. Wenn ein Tier als Schwingopfer geopfert wurde, dann erhielt der Priester einen Teil davon für sich. So erhielten die Priester den Stamm der Leviten als den Teil der Stämme, der ihnen beim Heiligtumsdienst helfen sollte. Die Leviten wurden natürlich nicht getötet, wie die Tiere für das Schwingopfer geschlachtet wurden, sondern sie waren Gott geweihte Diener am Heiligtum. Ein Ganzopfer dagegen gehörte immer ganz dem Herrn. So wurde Jeftahs Tochter ganz und gar für Gott und den Dienst am Tempel geweiht und im Gegensatz zu den Leviten sollte sie deshalb nie heiraten.

Es gibt im Alten Testament auch noch eine andere Frau, die wie Jeftah ihr Kind Gott weihte. Sie hieß Hannah und ’sie legte ein Gelübde ab und sagte: “Herr! Wenn Du auf das Elend deiner Magd siehst und deiner Magd einen Sohn schenkst, so will ich ihn dem Herrn sein Leben lang geben.“ (i. 1Sam 1,11). Als schließlich ihr Sohn Samuel geboren wurde und sie ihn als kleinen Jungen zum Heiligtum brachte, erklärte sie: “Um diesen Jungen habe ich gebetet, und der Herr hat mir meine Bitte erfüllt. Deshalb gebe ich ihn dem Herrn wieder. Alle Tage, die er lebt, soll er dem Herrn gehören.“ (i. 1Sam 1,27- 28).

Es gab damals außerdem ’die diensttuenden Frauen, die am Eingang des Heiligtums ihren Dienst verrichteten’. (i. 2Mo 38,8; 1Sam 2,22). Und im Neuen Testament setzte eine andere Hanna die Tradition der geweihten Heiligtumsdienerinnen fort. Denn ’nachdem Hanna sieben Jahre mit ihrem Mann gelebt hatte, war sie nun eine Witwe. Sie blieb beständig beim Tempel und diente Tag und Nacht mit Fasten und Gebet.’ (i. Lk 2,36-37). Sie hatte sich nach dem Tod ihres Mann dem Dienst an Gott geweiht, so wie Jeftah seine Tochter diesem Dienst weihte.

Diese Weihen zum Dienst für Gott waren nicht ungewöhnlich. Es gab dafür ein sogenanntes Weihegelübde. Jeder konnte sich dem Dienst an Gott für eine Zeit lang weihen. Denn ’wenn jemand, ein Mann oder eine Frau, etwas Besonderes tun möchte und das Gelübde ablegt, für den Herrn geweiht zu sein, so soll er keinen Wein und kein Rauschgetränk zu sich nehmen.’ (i. 4Mo 6,2-3). Mit dem Gelübde gab man sich als lebendiges Opfer zum Dienst für Gott.

Brauchte Gott die Opfer?

Wie steht es nun mit den tatsächlich getöteten Tieropfern für die begangenen Sünden. Musste ein willkürlicher und strenger Gott mit all diesen Strömen von Blut versöhnt werden, um vergeben zu können? – Er, der doch selbst einen Sperling, der zur Erde fällt, nicht vergisst, wie Jesus sagte? Brauchte Gott denn diese Opfer?

Vielleicht bekommen wir ein neues Bild von der Sache, wenn wir lesen, was Gott selbst darüber sagt: “Hört, was euch der Herr zu sagen hat, die ihr wie die Anführer und das Volk von Sodom und Gomorra seid! Wozu sollen mir eure Unmengen Schlachtopfer dienen? Ich habe die Brandopfer von Widdern und das Fett der Mastkälber satt, und ich habe auch kein Gefallen an dem Blut der Jungstiere, der Lämmer und der jungen Böcke. Wenn ihr kommt, um vor mir zu erscheinen, wer hat es denn von euch gefordert, dass ihr meine Vorhöfe zertreten sollt? Bringt nicht mehr eure nichtsnutzigen Speisopfer! Vor eurem Räucherwerk graut es mir. Das Einberufen von euren Festversammlung ertrage ich nicht mehr, sie sind eine Sünde, und eure Feste verabscheue ich. Sie sind mir eine Last geworden, ich bin es müde, sie zu ertragen. Und wenn ihr eure Hände zum Gebet erhebt, sehe ich euch nicht mehr an. Wenn ihr auch noch so viel betet, höre ich nicht darauf, denn an euren Händen klebt Blut von euren Taten.

Wascht euch und reinigt euch! Schafft mir eure üblen Taten aus den Augen und hört endlich auf, Schlechtes zu tun! Lernt es, Gutes zu tun, fragt nach dem Recht, weist diejenigen zurecht, die andere unterdrücken! Schafft Recht und Gerechtigkeit! Und dann kommt und wir wollen miteinander rechten! spricht der Herr. Wenn eure Sünden so rot sind wie Karmesin, sollen sie doch so weiß wie Schnee werden. Wenn sie rot sind wie Purpur, sollen sie wie Wolle werden. Wenn ihr willig dazu seid und auf mich hört, wird es euch gut gehen.“ (i. Jes 1,10-19).

Mit diesen aufrüttelnden Worten zeigt Gott selbst, Er braucht die Opfer nicht. Und das beantworte auch ganz klar die Frage, warum Er Kains Opfer nicht annehmen konnte. Es lag nicht an Gott, Er entschied nicht willkürlich, Abels Opfer zu akzeptieren, und Kains abzulehnen. Es war Kains Einstellung selbst, die Gott es nicht möglich machte, das Opfer anzunehmen. Denn Kain bezeugte durch seine Reaktion, dass er nicht erst zu diesem Zeitpunkt schlechte Gedanken hegte. Niemand bringt seinen Bruder von heute auf morgen um. Und Gott erklärte ihm sogar den Grund, warum er das Opfer nicht annehmen konnte: Die Sünde begann ihn bereits zu beherrschen. Sein Charakter war nicht lauter, Er war unbeherrscht, eifersüchtig, jähzornig und neigte zu Gewalt. Gott wollte ihn darauf aufmerksam machen und ihn warnen, dass er sich auf einem schlechten Weg befand. Er wollte ihn retten.

Es war also nicht Gott, der die Opfer brauchte, Er wollte sie im Grunde genommen nicht, um vergeben zu können, oder gar, um versöhnlich gestimmt zu werden. Wer war es dann, der die Opfer brauchte? Es bleibt nur noch der Mensch, der sie brauchte.

Die Art und Weise, wie ein Sündopfer dargebracht wurde, erklärt auch, warum der Mensch sie brauchte: Wenn jemand gesündigt hatte, brachte er sein Opferlamm zum Tempel. Dort sollte er seine Hand auf den Kopf des Lammes legen und alle seine Sünden bekennen. Damit übertrug er symbolisch die Sünden auf das Lamm. Dann tötete er es durch einen kleinen Schnitt an der Halsschlagader, sodass das Lamm verblutete. Mehr als den kleinen Schnitt spürte das Tier nicht, sondern durch den Blutverlust wurde es schwächer und verlor schließlich das Bewusstsein, es schlief praktisch ein. Doch das Wichtige daran war: Es starb durch die Hand des Sünders. Es war nicht der Priester als Repräsentant Gottes, der es tötete, es war der Sünder. Und dadurch musste Gott den Menschen verdeutlichen: Nicht ich bin es, der dich tötet, wenn du ungehorsam bist. Satan hat gelogen. Ich drohe dir nicht mit dem Tod. Es ist die Sünde, die dich tötet, und ich will alles tun, um dich davor zu retten. Nein, nicht ich brauche das Opfer. Sie sind ein Sinnbild dafür, dass jeder, der sich von mir, dem Leben, trennt, als Folge ganz sicher sterben wird. Ich kann ihn mit meiner lebensspendenden Kraft nicht mehr erreichen. Aber nicht nur mit einem Lamm, sondern ich selbst werde es euch beweisen.

Und das tat Er. Die Opfer waren eine Erinnerung daran, dass einst ein Erlöser kommen wird, sie waren ein Symbol für Jesus. Auf ihn wurde die Sünde gelegt, und Er wurde gerechnet wie ein Sünder, den Gott nicht mehr erreichen kann, und Er starb ... für uns. Aber nicht, um Gott zu versöhnen. Gott musste nicht versöhnt werden, Er liebt immer, Er ändert sich nicht. Der Mensch hatte sich von Gott abgewendet, der Mensch musste versöhnt werden. So kam Jesus und Er lebte und starb, um uns die Wahrheit über Gott zu beweisen, damit wir uns mit Gott versöhnen lassen, damit wir uns Gott zuwenden, Ihm glauben und Ihm vertrauen.

Gottesdienst damals und heute

Was war also damals die tiefere Bedeutung des Heiligtumsdienstes, und was bedeutet dieser Dienst für uns heute? ’Alles, was früher geschrieben wurde, das ist für uns aufgeschrieben, damit wir davon lernen’, denn ’das Gesetz (der Heiligtumsvorschriften) war nur ein Schatten der Dinge, die kommen sollten.’ (i. Röm 15,4; Heb 10,1) Denn ’die vorherigen Gebote (für die Zeremonien) wurden wegen ihrer Nutzlosigkeit aufgehoben’, (i. Heb 7,18-19) – weil die Israeliten es trotz der Sinnbilder im Heiligtum nicht verstanden hatten, dass Jesus kommen und die Erlösung bringen würde, und deshalb der Heiligtumsdienst für sie nutzlos wurde. Daher sagte Gott: “Das ist der Bund, den ich nach dieser Zeit aufrichten werde: Ich gebe meine Gesetze in ihren Sinn und schreibe sie auch in ihre Herzen. Und ich werde für sie ihr Gott sein und sie werden mein Volk sein.“ (i. Heb 8,10).

Gott hatte damals den ersten Bund geschlossen, um durch den Heiligtumsdienst seinen Heilsplan zu erklären. Das Schattenhafte dieses Dienstes verging, nachdem Jesus gekommen war und als wahres Opfer für uns starb. So zeigt die Erfüllung deutlicher den Plan, den Gott mit uns hat.

Gott erklärte schon damals den Israeliten: “Sie sollen mir ein Heiligtum errichten, damit ich mitten unter ihnen wohne.“ (i. 2Mo 25,8). Und Er sagt heute zu uns: “Ihr seid keine Fremden mehr, sondern Gottes Hausgenossen.’ (i. Eph 2,19). ’Wisst ihr denn nicht, dass ihr der Tempel Gottes seid und dass der Heilige Geist Gottes in euch wohnt? Der Tempel Gottes ist heilig, und der seid ihr.“ (i. 1Kor 3,16-17).

Das Heiligtum und der Tempel sollten ein deutliches Bild davon sein, dass Gott unter uns und mit uns leben will. Die Erfüllung dieses Sinnbildes ist, dass Gott mitten in seiner Gemeinde der Glaubenden ist und wohnt. Genauso nahe möchte Gott jedem von uns sein. Wir alle werden geheiligt im Dienst für Gott. Er möchte durch den Heiligen Geist in unserem Inneren wohnen, ganz nah im Herzen, und mit jedem Einzelnen von uns verbunden sein. Und Er möchte die ursprünglichen Prinzipien in Eden wieder aufrichten – in unserem Herzen und in unserem Verhalten. So wie mit den Priestern damals möchte Er auch uns in seinen Dienst nehmen und mit uns zusammenarbeiten.

Was ist daher der Sinn des priesterlichen Heiligtumsdienstes für uns heute? Gott erklärt uns in seinem Wort: “Dient dem Herrn mit Freuden!’ (Ps 100,2 E). Denn ’ihr werdet Priester des Herrn genannt werden; Diener unseres Gottes wird man zu euch sagen. Ich, der Herr, werde ihnen ihren Lohn in Treue geben.’ (Jes 61,6.8 E). ’Die Priester sollen keinen Wein trinken, sondern mein Volk unterweisen, zwischen heilig und nicht heilig zu unterscheiden. Sie sollen den Unterschied erkennen lassen, was schlecht und was gut ist. Und ich selbst werde ihnen ihr Erbteil sein.“ (i. Hes 44, 21.23.28).

Jesus selbst, ’der uns liebt und uns von unseren Sünden erlöst hat’, Er hat uns ’zu Priestern für seinen Vater gemacht.’ (i. Offb 1,5.-6). Damit zeigt uns das Neue Testament, dass durch Jesus wir alle, die wir glauben, Priester für Gott sind. Wir alle stehen in seinem göttlichen Dienst. Es ist ein besonderes und hohes Amt, das reich gesegnet ist und uns zu Vorbildern für die Welt formt, indem wir nicht der Welt gleich werden, sondern unterscheiden zwischen guten und schlechten Dingen. Gott weiß, was für uns und unser Glaubensleben gut oder nicht gut ist. Er will uns helfen, im Glauben zu wachsen. Und die Belohnung ist unermesslich groß: Er selbst ist unser Erbe!

Anders als die Priester damals bringen wir heute keine Tiere mehr als Opfer dar. Was bedeutet daher das Opfer für uns heute?

König David betete einmal nach einer großen Schuld: “Oh Herr, lösche meine Vergehen aus und reinige mich von meiner Sünde, erschaffe in mir ein reines Herz. Denn ich erkenne meine Vergehen. Die Opfer für Dich sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz wirst Du, Gott, nicht abweisen.’ (i. Ps 51,3-4.12.19). So ’opfert Gerechtigkeitsopfer und vertraut auf den Herrn.“ (Ps 4,6 E)

Gott selbst verheißt uns: “Opfere Gott Dankbarkeit und erfülle dem Höchsten deine Versprechen; und rufe zu mir in der Not; so will ich dich retten, und du wirst mich preisen!“ (i. Ps 50,14-15).

’Deshalb lasst uns Gott immer ein Opfer des Lobes darbringen!’, schreibt uns Paulus aufmunternd. ’Das ist die Frucht der Lippen, die sich zu Ihm bekennen. Vergesst nicht, Gutes zu tun und zu teilen! Denn an solchen Opfern hat Gott Freude.’ (i. Heb 13,15-16). ’Ich ermuntere euch nun, dass ihr euch und euren Körper als ein lebendiges, heiliges Opfer darbringt, das Gott Freude bereitet. Das sei euer intelligenter Gottesdienst, euer verständiger Dienst für Gott. Und passt euch nicht dieser Welt an, sondern werdet durch eure erneuerte Gesinnung verändert, damit ihr prüfen könnt, was der Wille Gottes ist: nämlich das, was gut ist und Freude bereitet und verständig ist. Seid herzlich zueinander; im Fleiß seid nicht nachlässig, seid mit brennendem Eifer erfüllt durch den Heiligen Geist, und dient dem Herrn. In der Hoffnung freut euch, in Schwierigkeiten haltet durch, im Gebet bleibt ausdauernd. Segnet, die euch verfolgen; segnet, und verdammt nicht! Vergeltet niemandem Schlechtes mit Schlechtem; seid bedacht auf das, was vor allen Menschen ehrbar ist. Wenn möglich, soviel es an euch liegt, lebt mit allen Menschen in Frieden. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit dem Guten! Die Liebe tut den Mitmenschen nichts Böses an. Deshalb ist die Liebe die Erfüllung des Gesetzes. Und das tut als solche Menschen, die wissen, in welcher Zeit wir leben. Denn inzwischen ist unsere Rettung näher, als zu Beginn unseres Glaubens. Deshalb lasst uns nun nicht mehr einander richten! Nehmt einander an, wie auch Christus euch angenommen hat! Der Gott der Hoffnung schenke euch in eurem Glauben alle Freude und allen Frieden, damit ihr durch den machtvollen Heiligen Geist überreich an Hoffnung seid!“ (i. Röm 12,1-2.10-12.14.17.21; 13,10; 14,13; 15,7.13).

Unsere wahren Opfer für Gott sind daher Lob und Bekenntnis, Dank und Gebet, sind wir selbst und all das Gute, das wir tun. Wir dürfen wachsen, indem wir nicht der Welt gleich sind, sondern Liebe lernen. Das ist der wahre und intelligente Gottesdienst, wenn wir das Richtige tun, weil es das Richtige ist – und nicht nur, weil Gott es befiehlt. Er möchte keinen blinden Dienst aus Gewohnheit oder Tradition, sondern weil wir es verstehen und aus der richtigen Erkenntnis heraus tun. Und zu lieben wie Er liebt, ist das Richtige.

Abraham, unser Vorbild?

Es war also nicht Gott, der die Opfer brauchte. Es war der Mensch, der sie brauchte, damit ihm klar wurde, dass die Sünde zum Tod führt. Gott war etwas anderes viel wichtiger, deshalb steht bereits im Alten Testament geschrieben:

’Hat denn der Herr wirklich so viel Lust an Brandopfern und Schlachtopfern und nicht viel mehr daran, dass man seinem Wort und seiner Stimme gehorcht? Sieh doch, Gehorchen ist besser als Schlachtopfer, und auf Ihn hören ist besser als ein Opfer von Widdern.’ (i. 1Sam 15,22).

Aber da ist wieder das Gehorchen. Ist es also doch blinder Gehorsam, den Gott fordert? Und wurde nicht Abraham zu unserem Vorbild im blinden Vertrauen, als er gehorchte und sich mit Isaak auf den Weg machte? Gott hat es gesagt, und Abraham hatte blind zu gehorchen, ohne zu fragen? Und warum verlangte denn Gott von ihm, dass er seinen Sohn opfert, wenn es doch so völlig im Gegensatz zu seinem Verbot der Menschenopfer stand? Was ist geschehen?

Es muss auch für Abraham zunächst verwirrend gewesen sein, als Gott ihn dazu aufrief. Er kannte genauso die Ordnungen Gottes und wusste, dass Menschenopfer ein Gräuel waren. Warum wollte Gott das jetzt von Ihm? War es wirklich Gottes Stimme gewesen?

Um Gottes Geschichte mit Abraham besser zu verstehen, ist es - wie immer - wichtig, den ganzen Zusammenhang zu kennen. Denn Gott hat immer einen Grund für das, was Er tut. Was ging also diesem Aufruf Gottes voraus?

Gott hatte Abraham mit dem Versprechen nach Kanaan geführt, dass Abraham der Stammvater eines großen Volkes werden würde und durch ihn sollten alle Geschlechter der Erde gesegnet werden. Gott wiederholte das Versprechen mit dem ausdrücklichen Zusatz, dass er einen Sohn bekomme würde, im Laufe der Jahre noch fünf Mal. (s. 1Mo 12,1-7; 13,16; 15,5; 17,4-8.16; 18,10.14). Was Gott verspricht, das hält Er.

Doch als Sarah lange kein Kind empfing, misstraute Abraham dreimal zutiefst dem Versprechen Gottes: Beim ersten Mal hatte er bei einem Aufenthalt in Ägypten Angst, dass Sarah wegen ihrer Schönheit geraubt und er ermordet werden könnte, deshalb gab er sie als seine Schwester aus. (s. 1Mo 12,10-20). Beim zweiten Mal gab er Sarahs Drängen nach und zeugte ersatzweise einen Sohn mit Sarahs Dienerin. (s. 1Mo 16). Und beim dritten Mal gab er im Philisterland noch einmal aus Angst vor Ermordung seine Frau Sarah als seine Schwester aus. (s. 1Mo 20.1-8).

Wäre Abraham in Ägypten oder bei den Philistern ermordet worden, dann hätte Gott sein Versprechen nicht halten können. Abraham hatte daher Gott nicht geglaubt, auch nicht, als er mit Sarahs Dienerin einen Sohn zeugte. Abrahams Misstrauen hatte schwerwiegende Folgen: Zum einen seine zerrissenen Familienverhältnisse, sowie die Entehrung Gottes vor den Heiden durch Abrahams Lügen, zum anderen Abrahams eigener geschwächter Charakter.

Als Abraham sich schließlich dazu durchrang, Gott zu glauben, machte Gott den ersten Teil seines Versprechens wahr: Sarah bekam einen Sohn, als es aus Altersgründen bereits unmöglich war. Abraham hatte nun ein Wunder erlebt. Er bekam damit einen ’Vorschuss’ an Gewissheit, dass Gott seine Verheißungen tatsächlich und unerschütterlich hält, und wenn Er dafür ein Wunder geschehen lassen muss.

Durch sein Versagen hatte Abraham jedoch vor dem ganzen Universum seinen guten Ruf eingebüßt, und der Widersacher Gottes konnte ihn mit Recht verklagen, dass er die Erfüllung der Verheißungen nicht wert war. Abraham hatte deshalb noch eine schwere Aufgabe vor sich, um etwas Wichtiges für seinen Charakter zu lernen. Mit der Bewältigung dieser Aufgabe wäre auch der Widersacher Gottes zum Schweigen gebracht. Es fiel Gott sicherlich nicht leicht, Abraham um so etwas Verwirrendes und zugleich Schmerzliches zu bitten. Als sich Abraham mit seinem Sohn Isaak auf den Weg zu dem Berg machte, den Gott ihm als Opferstätte genannt hatte, wurde das für ihn der schwerste Gang, doch zugleich einer, der ihm verstehendes Vertrauen lehrte:

Was Gott sagt, ergibt immer Sinn, deshalb konnte sich Abraham sicher sein, dass Gott mit diesem Auftrag etwas Sinnvolles vorhatte, auch wenn er es jetzt noch nicht sah. Und wenn Gott die Opferung Isaaks wollte, dann musste Er auch eine Lösung haben, um dennoch das Versprechen halten zu können, aus Isaak ein großes Volk entstehen zu lassen – auch wenn das durch den Tod Isaaks unmöglich erschien. Abraham fragte sich immer wieder, welche Lösung Gott haben mochte. Nach langem, verzweifeltem Nachdenken auf dem Weg zum Berg Morija kam er zu dem Schluss, dass Gott entweder Isaak vom Tod auferwecken würde, (s. Heb 11,17-19), oder dass Er ein anderes Opfer als Ersatz bereit haben müsse. Als Isaak ihn während des Aufstiegs auf den Berg fragte: „Vater, wir haben Holz und Feuer, aber wo ist das Lamm für das Opfer?“, da antwortete daher Abraham: „Mein Sohn, Gott wird sich ein Lamm für das Opfer ersehen.“ (i. 1Mo 22,7-8). Doch oben auf dem Berg, musste er Isaak alles offenbaren. Isaak war ein kräftiger Jüngling, er hätte sich leicht gegen seinen alten Vater wehren können, doch auch er gab sich vertrauensvoll in Gottes Hände. Und in diesem wissenden Vertrauen, dass Gott eine Lösung haben muss, um sein Versprechen halten zu können, hob Abraham schließlich zitternd das Messer, um Isaak auf dem Altar zu opfern ... und er sollte tatsächlich Recht behalten! Gott rief ihm in diesem Augenblick vom Himmel her zu: „Abraham! Abraham!“ Abraham riss den Kopf hoch: „Hier bin ich, Herr.“ „Lege deine Hand nicht an den Jungen und tu ihm nichts. Denn nun kann man es wahrhaftig erkennen, dass du mich mit Ehrfurcht ernst nimmst und mir deinen Sohn nicht vorenthalten hast.“ Als nächstes sah Abraham einen Widder, der sich im Gebüsch verfangen hatte ... Gott hatte tatsächlich ein anderes Opfer als Ersatz bereit! (s. 1Mo 22,13).

Es war dennoch das Schwerste, das Abraham je erlebte, aber er überwand sein früheres Versagen im Vertrauen auf Gottes verlässliches Versprechen, da er im Glauben fragte und Lösungen fand. So wurde Abrahams verstehender Glaube vor dem ganzen Universum erwiesen, und Gott wiederholte das siebte Mal seine Verheißung, indem Er ihm ’ein zweites Mal vom Himmel her zurief: „Ich schwöre es bei mir selbst: weil du das getan und mir deinen einzigen Sohn nicht vorenthalten hast, und weil du auf mein Wort hin meiner Stimme gehorsam warst, deshalb werde ich dich reich segnen und deine Nachkommen so zahlreich werden lassen wie die Sterne am Himmel und wie der Sand am Ufer des Meeres. Und in deinem einstigen Nachkommen werden sich alle Völker der Erde segnen.“ (i. 1Mo 22,15-18) – Gott ist wahrhaftig treu. Er hielt sein ganzes Versprechen. Aus Abrahams Nachkommenschaft kam der eine Nachkomme, der allen Völkern ein Segen wurde.

So wurde auch Abraham allen zum Segen und eine Vater aller wahrhaft Glaubenden. Er wurde ebenso wie Mose ein Freund Gottes genannt. Aber nicht deshalb, weil er blind gehorchte, sondern weil er Gott fragte und Ihn verstehen lernte. Wenn Gott etwas verlangt, dann hat es einen Sinn. In diesem Fall war es Abrahams früheres Misstrauen und Versagen, das diese Maßnahme notwendig machte: Erstens, um Abrahams Charakter, der durch das Versagen geschwächt war, zu erneuern und zu stärken. Und zweitens, um Abraham vor den Heiden und vor dem ganzen Universum dadurch zu rechtfertigen, dass Abraham nun bewiesen hatte, er glaubt endlich Gottes Versprechen.

Abraham gewann darüber hinaus ein tiefes Verständnis dafür, durch welchen Schmerz Gott gehen muss, wenn Er einst seinen Sohn in den Tod dahingibt – gerade dort oben auf dem Berg Morija, der einmal Golgatha genannt werden würde.

Zwischen diesen beiden Opferungen gibt es allerdings einen gravierenden Unterschied: Gott würde seinen Sohn nicht selbst töten, denn Gott war kein schuldiger Sünder, der für sich opfern müsste. Er würde seinen Sohn dagegen für die Schuld der Welt geben, und die Sünde der Welt und die Trennung vom Leben würde seinen Sohn töten.

Bisher hatte Abraham immer ein Schaf oder ein Lamm für seine eigenen Sünden dargebracht und geopfert. Er wusste, dass dieses Lamm ein Sinnbild für den Sohn Gottes war. Wie viel mehr konnte er jetzt nach der Darbringung Isaaks begreifen, dass er selbst und seine Schuld es waren, die den Sohn Gottes einmal töten würden. Denn mit Isaak konnte er viel eindrücklicher den Sohn Gottes auf dem Altar liegen sehen, als wenn nur ein Schaf darauf gelegen hätte. Abrahams Hand – seine Sünde – würde den Sohn Gottes einst töten, so wie sich seine Hand mit dem Messer gegen seinen Sohn Isaak hob. Damit mag Abraham weit mehr das Schwerwiegende an der Sünde erkannt haben, als vielleicht jeder andere von uns es zu erkennen vermag. Und vielleicht schreckte er danach mehr denn je vor der Sünde zurück, möglicherweise mehr als jeder von uns. Aber er konnte zudem noch etwas viel eindrücklicher verstehen – den Heilsplan Gottes zur Errettung der Menschen.

Reife und verstehende Nachfolger Gottes

Abraham wird uns in vielerlei Hinsicht zum Vorbild. Er hatte gelernt, dass Gott nur das von uns möchte, was auch Sinn ergibt. Er hatte gelernt, auf Gottes Beweise hin zu vertrauen. Er überwand sein Misstrauen gegenüber Gott und vertraute dessen Verheißungen, weil Gott sich als vertrauenswürdig erwiesen hatte. Abraham bezeugte es durch die Tat. Er wurde dadurch ein reifer Nachfolger Gottes.

Gott will auch uns dahin führen, dass wir zu reifen Nachfolgern werden. Dann werden wir handeln, weil wir durch wahres Verstehen von der Richtigkeit der Anweisungen Gottes überzeugt sind, und nicht, weil wir blind gehorchen. Gott möchte keinen blinden Glauben. Wir dürfen Fragen stellen und uns Gedanken machen. Die Wahrheit braucht keine Fragen zu fürchten, denn die Wahrheit wird sich immer als Wahrheit herausstellen. Die Lüge muss die Fragen fürchten, denn sie wird sich als Irrtum herausstellen. Deshalb fürchtet Satan die Fragen und redet uns ein, wir müssten einfach nur blind glauben und unsere Fragen unterdrücken. Doch Gott braucht aufrichtige und achtungsvolle Fragen nicht zu fürchten. Er möchte, dass wir fragen und forschen ... und auch Antworten in seinem Wort finden. Deshalb schreibt Er uns durch den Apostel Paulus: “Das inspirierte Wort verachtet nicht. Prüft aber alles und haltet dieses Gute fest!“ (i. 1Thes 5,20-21). Eine der damaligen Gemeinden nahm sich das auch zu Herzen. ’Sie nahmen das Wort bereitwillig an und forschten jeden Tag in den Schriften, ob es auch so stimmt.’ (i. Apg 17,11).

In diesem Sinn ist es gut zu wissen, wie man die Bibel richtig verstehen kann. Es ist wichtig, die schwierigen Stellen in der Bibel mit den leicht verständlichen zu erklären, nicht umgekehrt. Wenn wir die klaren Stellen mit den schwierigen interpretieren, dann werden auch die klaren Aussagen auf einmal zweifelhaft und unklar. Wenn wir schwierige Stellen mit der klaren Aussage “Gott ist Liebe“ auslegen, dann beginnen wir zu forschen und zu fragen: Welchen Sinn hatte dieses oder jenes Geschehen? Was bezweckte Gott damit? Wo finde ich in seiner Bibel eine Erklärung dafür? Wie drückte Er damit seine Liebe aus? Jesus sagte: “Bittet, und es wird euch gegeben werden; sucht, und ihr werdet finden! Denn jeder Bittende empfängt, und jeder Suchende findet. (Lk 11,9-10 E). Wenn ihr euren Kindern Gutes zu geben versteht, wie viel mehr wird der Vater vom Himmel her den Heiligen Geist denen geben, die Ihn darum bitten!“ (i. Lk 11,13) Dieses Wort dürfen wir auch für unser Verständnis über Gott in Anspruch nehmen, denn gerade der Heilige Geist ist es, ’der in die ganze Wahrheit führt’ – in die ganze Wahrheit über Gott. (i. Joh 16,13).

Seine Liebe und sein Verlangen, zu retten, wen immer Er retten kann, sie sind der stetige Beweggrund hinter all seinem Handeln. Wenn wir das sehen, werden wir beginnen zu verstehen.

“Denn ich weiß ja, welche Gedanken ich über euch habe, spricht der Herr, es sind Gedanken des Friedens und nicht des Leides, um euch eine Zukunft und Hoffnung zu schenken. Ruft ihr mich an, kommt ihr und betet zu mir, dann werde ich euch erhören. Und sucht ihr mich, so werdet ihr mich finden, ja, fragt ihr von ganzem Herzen nach mir, so werde ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr.“ (i. Jer 29,11-14).

Gerade das hatte Abraham für sich in Anspruch genommen. Er wusste, Gott will das Beste, deshalb musste es einen Sinn ergeben. Und er fand die Antwort. Gott möchte, dass wir durch Nachdenken, Fragen und Forschen Ihn verstehen lernen, und dass wir auch die Richtigkeit seiner Gebote verstehen und sie aus diesem Grund tun. Er möchte, dass wir das Richtige tun, weil es das Richtige ist. Nur dadurch werden wir zu vertrauenswürdigen Menschen, die auch dann richtig handeln, wenn Gott nicht zusehen würde. Wenn wir das erkannt haben, werden wir bereit sein, auf das zu verzichten, was nicht gut ist, werden wir bereit sein, Süchte abzulegen und unser Verhalten neu zu überdenken. Gott schenkt uns überreich seinen Frieden und seine Freude im Herzen, wenn wir Ihn und seine Beweggründe und seine weisen Anweisungen verstehen.

Dann wird der Dienst für Ihn und an Ihm zur Freude. Es wird zur Freude, mit Ihm zusammen zu sein. Und wenn wir Ihn und seinen unwandelbaren Charakter der Liebe erkannt haben, dann wird es uns auch eine Freude sein, zu verkünden, wie Gott wirklich ist.

 

‘Ihr seid ein auserwähltes Geschlecht, ein königliches Priestertum,
eine Nation, die Gott geweiht ist, ein Volk, das Ihm angehört,
damit ihr den guten Charakter dessen verkündigt,
der euch aus der Finsternis in sein wunderbares Licht gerufen hat.’

(i. 1. Petrus 2,9)