Salomos Leben
“Salomos Leben“ ist eine zusammenhängende und fortlaufende Geschichte. Um später bei Bedarf einzelne Abschnitte schneller finden zu können, sind hier die Teilüberschriften aufgelistet:
König Salomos Leben und sein Hohelied
Wer war Salomo?
Das Hohelied in der Bibel wurde von König Salomo geschrieben. Aber wer war Salomo? So manche Gelehrten bezweifelten, dass er und sein Vater König David je gelebt haben. Inzwischen zeugen jedoch Ausgrabungen und sensationelle Funde von der historischen Existenz jener beiden Könige, deren Gesang Gott so schätzte, dass Er uns ihre Lieder in den Psalmen und im Hohelied bis heute erhalten hat. Bereits König David war ein so hochbegabter Harfenist und Musiker, dass er nicht nur viele der Psalm-Lieder in der Bibel verfasste, sondern im Auftrag Gottes den ganzen Gesangs- und Orchesterdienst für das Heiligtum ordnen konnte. Zweifellos erbte sein Sohn Salomo dieses musikalische Talent. So blieb uns auch von ihm eine Liedreihe erhalten – sein Hohelied.
Salomo ist selbst heute noch berühmt. Er war einer der herausragendsten Könige seiner Zeit, ein Regent, der sein ausgedehntes Reich nicht durch Kriege errang und zusammenhielt, sondern durch seine Weisheit ... solange er Gott die Treue hielt.
Doch wie war er als Mensch? Wie verlief sein Leben? Um diese Frage zu beantworten, gehen wir in der Zeit um rund 3000 Jahre zurück. So können wir ein wenig mehr über den Schreiber des Hoheliedes und seine Familie erfahren ...
Die Lebensgeschichte eines Königs
Salomos Vater David muss bereits als junger Mann lernen, sein Leben völlig in die Hand Gottes zu legen. Er ist schon als Hirte ein so überragender Sänger und Harfenist, dass er von den Schafherden weg an den Hof des ersten israelitischen Königs berufen wird. Als sich herausstellt, dass Gott diesen jungen Mann als Thronfolger erwählt hat, trachtet ihm der König nach dem Leben. David muss fliehen. Eine seiner Zufluchtsstätten wird eine Höhle in der Wüstenoase En-Gedi am Toten Meer. Dort hat er die Gelegenheit, den König, der ihn rasend vor Wut verfolgt, zu töten. Doch er verschont ehrfürchtig dessen Leben. David beweist damit einen edlen Sinn, einen tiefen Glauben an Gott und Mut.
Als der erste König verstorben ist und David Jahrzehnte später schließlich selbst König und bereits mehrfach verheiratet ist, beobachtet er vom Flachdach seines Palastes aus, wie eine ausnehmend schöne Frau ein Bad nimmt. Es ist Bathseba, die Ehefrau von einem der treusten Anhänger Davids. Er lässt sie in der Abwesenheit ihres Mannes für eine Nacht zu sich holen. Als sie von ihm schwanger wird, versucht David den Skandal zu vertuschen, indem er letztendlich ihren Mann in einem Eroberungskrieg umkommen lässt und daraufhin die Witwe heiratet. Der Prophet Nathan am königlichen Hof muss David für diese Tat eine entsprechend harte Zurechtweisung von Gott überbringen. Das rüttelt David auf. Er bereut tief und bitter und schreibt seine Reue im 51. Psalm nieder. Von nun an ist er seinem gnädigen Gott standhaft treu.
Das Baby, das ihm von Bathseba geboren wird, stirbt jedoch, wie von Gott vorausgesagt. Nachdem Bathseba David noch weitere Söhne geschenkt hat, kommt Salomo als ihr Letztgeborener auf die Welt. Von einer Verheißung Gottes getragen bestimmt David diesen jüngsten Sohn Bathsebas zum Thronfolger.
Salomo wächst mit all diesen Geschichten am Königshof auf. Sein Vater bereitet ihn sorgfältig auf das Herrscheramt vor, indem er ihn zum Politiker und Waffenkämpfer ausbildet. Er lehrt Salomo außerdem, dass er ein charakterfester Mann und Gott vorbildlich treu sein muss, um sein Volk unterweisen zu können und das Königsamt würdig auszufüllen. Salomo ist noch jung, wohl um die 20 Jahre, als einer seiner Halbbrüder die Regierung an sich zu reißen versucht. David dankt jedoch zu Salomos Gunsten ab und lässt ihn zum König salben.
Einige Jahre später stirbt David und lässt Salomo mit der Alleinherrschaft über ein Reich zurück, das sich von den Grenzen Ägyptens bis an den Euphrat-Strom erstreckt. Der junge Regent erkennt, wie hilflos er im Grunde genommen ist. Deshalb fleht er Gott an, ihm Weisheit zu schenken, damit er das Volk gut und gerecht führen kann.
In einem Traum antwortet ihm Gott: „Weil du nicht um Reichtum, Ehre und ein langes Leben gebeten hast, sondern um Weisheit, darum werde ich dir Weisheit und Erkenntnis geben, wie kein anderer König sie vor dir hatte oder nach dir haben wird.“
Salomo hat mit seinem Gebet eine Demut bewiesen, die seine Einstellung und Regentschaft beispielhaft prägt – auch wenn er anfangs noch als eher schlechtes Beispiel seine Gottesdienste auf ehemaligen Götzenhügeln feiert. Doch darüber hinaus hält er unerschütterlich an Gott und dessen Geboten fest. Seine Weisheit und sein Mitgefühl offenbaren sich in einem Gerichtsurteil, durch das er einer verzweifelten Mutter ihr Baby zurückgibt, das ihr geraubt worden war. Dadurch gewinnt er die Zuneigung seines Volkes.
In dieser Zeit beginnt er auch den Tempel Gottes zu bauen, für den sein Vater die Pläne und das Baumaterial bereitgestellt hat. Unglücklicherweise bittet Salomo einen heidnischen Künstler, den Bau zu leiten. Dessen Einfluss auf die anderen Arbeiter ist verständlicherweise kein guter. Zudem heiratet Salomo aus politischen Gründen eine Tochter des Pharaos, obwohl er weiß, dass er keine Götzenanbeterin zur Frau nehmen sollte. Gott versucht dennoch, zu Salomos Besten zu wirken, und die Pharaonentochter bekehrt sich zu Gott.
Die Einweihung des Tempels wird ein Freudenfest. Und Salomos demütiges Gebet um Gottes Segen wird zu einem Zeugnis für das Volk und für die geladenen Herrscher anderer Länder. Sie lernen dadurch den wahren Gott und dessen Liebe zu den Menschen kennen. Gott erscheint Salomo noch einmal im Traum. Er kennt die Versuchungen, mit denen Salomo konfrontiert ist. Aus Liebe warnt Er ihn deshalb vor einer Abkehr, verspricht ihm aber seinen überreichen Segen, wenn er Ihm und seinen Ordnungen treu bliebe.
Mit dieser Zusage Gottes beginnt die Glanzzeit in Salomos Regentschaft. Er ist ein hervorragender Bauherr von Palästen und Vorratsstädten, studiert die Natur, die ihn noch enger an seinen Schöpfer bindet, schreibt die Grundsätze des Himmels in tausenden von Sprüchen nieder und ehrt Gott in Dankbarkeit durch zahllose Lieder. Mit seinem erworbenen Reichtum kümmert er sich zudem um die Bedürftigen seines Landes. Sein Herrschaftsgebiet teilt er in ausgezeichnet verwaltete Bezirke auf. Die Umsicht, mit der er seine Geschäfte und öffentlichen Unternehmungen leitet und regelt, trägt seinen Ruhm selbst in weit entfernte Länder. Herrscher reisen an, um mehr über seine Regierungsform zu erfahren und ihn um seinen Rat zu bitten. Salomo nützt diese Gelegenheiten und erzählt ihnen von dem höchsten und weisesten König aller Könige und wie sich dessen Liebe in der Schöpfung offenbart. Viele der Ratsuchenden nehmen daraufhin den wahren Glauben an.
Salomos Macht wächst stetig. Er kennt zwar das Gebot Gottes, dass ein König nicht viele Frauen, keine großen Reichtümer und keine Unmengen Pferde für den Krieg besitzen sollte, dennoch stellt er eine enorme Armee auf, beschafft sich 12 000 Pferde und baut dafür ganze Heeresstädte. Gleichzeitig mit seiner Macht nehmen auch seine Reichtümer zu. Seine Handelsbeziehungen reichen von Indien bis Afrika. Durch die strategische Lage seines Landes hat er die Kontrolle über die Hauptkarawanenwege und die Handelsstraßen von Nord nach Süd und vom asiatischen Kontinent zum afrikanischen – was ihm reiche Abgaben einbringt. Außerdem unterhält er eine Schiffsflotte, die kostbarste Handelsware aus fernen Ländern herbeischafft.
Er beginnt Gold zu horten ... und seine Selbstlosigkeit nimmt unweigerlich ab. Immer mehr verlässt er sich auf sich selbst und seine Intelligenz, anstatt auf Gott und dessen Führung zu vertrauen. Als er sich auf den Alkohol einlässt, wird sein Urteilsvermögen abgestumpft. Nach und nach verliert er das Bewusstsein dafür, dass wahre Weisheit nur in der kompromisslosen Treue zu Gott existiert. Er gibt Grundsätze preis, schließt gottlose Bündnisse mit heidnischen Ländern und meint irrtümlicherweise, er könne durch die Übertretung des Gesetzes Gottes die Heiden zum Glauben führen. Seine Bündnisse festigt er mit unzähligen Heiraten, bis sein Harem 700 adelige Ehefrauen und 300 Nebenfrauen umfasst. Er denkt, dass ihm der Einfluss seiner götzendienerischen Frauen nichts anhaben könne – eine Illusion, die ihm zur Falle wird. Allmählich und unbewusst nimmt er immer mehr die unheiligen Gewohnheiten der umliegenden Nationen an. Anstatt weiterhin die Armen zu unterstützen, belastet er das Volk mit immensen Steuern, um damit seinen prunkvollen Königshof zu unterhalten. Mit seinem Pomp hofft er, die Welt und seine zahllosen Frauen zu beeindrucken. Er gibt dafür seine Standhaftigkeit und seinen guten Charakter preis. Schließlich sinkt er soweit herab, dass er selbst am Götzendienst seiner Frauen teilnimmt. Durch sein Beispiel zieht er das Volk mit in die Abgötterei. Er hat Gott fast vollständig den Rücken zugekehrt und verliert dadurch die Fähigkeit, sich selbst in der Hand zu haben. Sein Gewissen erlahmt, er wird zum Tyrannen.
Salomos Fall ist so groß, wie seine Herrlichkeit gewesen ist. Und er muss bitter feststellen, dass die Angebote der Welt ebenso wertlos sind wie die Versprechungen der Götzenkulte. Sie bringen seinem zerrütteten Geist keinen Frieden. Es scheint für ihn keine Zukunft und keine Hoffnung mehr zu geben. Er verzweifelt.
Aber auch wenn Salomo untreu geworden ist, bleibt Gott dennoch treu. Er versucht, Salomo zur Besinnung zu bringen, indem Er Kriege gegen ihn zulässt und ihm durch einen Propheten die erschreckende Nachricht sendet, dass seinem Thronerben und Nachfolger der Großteil des Reiches genommen werde. Dieser Schock reißt Salomo aus seiner Betäubung und rüttelt sein Gewissen auf. Gebrochen und geschwächt kehrt er endlich um.
Gott hatte Erfolg mit seinen Maßnahmen. Er hat Salomo nicht aufgegeben und löst ihn nun aus den Fesseln der Begierden und Sünden, die Salomo nicht mehr selbst abwerfen kann. Salomo bereut bitterlich seinen verkehrten Weg und wendet sich wieder demütig und dankbar seinem Gott zu. Voller Scham und Schmerz bekennt er seine Schuld in aller Öffentlichkeit. Es quält ihn, dass durch sein schreckliches Beispiel andere verloren gehen können. Getrieben von der Sehnsucht, sie vor denselben Fehlern zu bewahren, beginnt er die Menschen eindringlich zu warnen. Er weiß nun, wie mächtig ein guter und ein schlechter Einfluss sind. In diesen letzten Jahren seines Lebens unterweist er sein Volk von neuem in der Wahrheit. Er erfüllt diese Lebensaufgabe mit geduldiger Sanftheit, und das treu bis zu seinem Ende. Und durch seine Schriften dauert sein Zeugnis selbst bis heute fort – Gott hat gesiegt.
Salomo schreibt sein Hohelied der Liebe
Durch seine Lebensgeschichte beginnen wir Salomo als tatsächlichen Menschen wahrzunehmen, wer er ist, welche Überzeugungen er in seinen ersten Regierungsjahren auslebt und warum ihn sein Volk dafür bewundert. Gerade in dieser Glanzzeit seines Lebens schreibt er das Hohelied. Er steht in der Blüte seiner Jahre, ist ein charakterfester Nachfolger Gottes, ein ausgesprochen attraktiver Mann, eine beeindruckende, hochintelligente Persönlichkeit und ein starker, herausragender Regent. Das vermittelt uns einen Eindruck davon, wem wir im Hohelied gegenüberstehen ... und wem das junge Bergmädchen gegenübersteht, ohne es zunächst zu wissen.
Salomo nennt seine Liedgeschichte ‘Hohelied’, wörtlich übersetzt, das ‘Lied der Lieder’. In seiner hebräischen Muttersprache bedeutet dieser Ausdruck, dass es das schönste von allen seinen Liedern ist. Er schreibt es aus der Sichtweise seiner Zeit und seiner Kultur. Deshalb brauchen wir manchmal einige klärende Worte im Liedtext, um den Sinn zu verstehen. Ein noch tieferes Verständnis gibt uns Salomo selbst durch seine Weisheiten in seinem Buch der ‘Sprüche’. Es eröffnet uns seine Lebenseinstellung während der Zeit, in der er Gott treu ist, und malt uns eine farbige Kulisse für sein Hohelied.
So notiert er in seinen Sprüchen: “Haus und Habe kommen als Erbe vom Vater, aber eine einsichtsvolle Frau kommt von Gott.“1 Und nach solch einer Frau ist er im Hohelied offensichtlich auf der Suche – nach einer Frau, die nicht auf seinen Reichtum und seine königliche Stellung aus ist, sondern ihn als Menschen liebt. Dass er sich für diese Suche als Wanderhirte verkleidet, das muss er nicht erfinden. Seine großen und
gesunden Herden gelten in seiner Kultur als Reichtum. Salomo versteht also tatsächlich etwas von Schafhaltung und er drückt es mit den Worten aus: “Kümmere dich sorgfältig um das Aussehen deiner Schafe, richte deine Aufmerksamkeit auf die Herden!“2 Und kein Wunder, sein Vater war als junger Mann ein ausgezeichneter Hirte und gab dieses Grundwissen sicherlich an Salomo weiter.
Aber noch viel prägender gehört es zu Salomos Grundwissen, wie wichtig ein klarer Verstand ist. So ist er sich dessen bewusst, dass ‘Wein und Rauschtrank Spötter sind, und jeder, der davon taumelt, unweise’ ist. Unter dem Einfluss Gottes legt er deshalb jedem ans Herz: “Sieh den Wein nicht an, wie er so rötlich schimmert, wie er im Becher funkelt und leicht hinuntergleitet. Am Ende beißt er wie eine Schlange und speit Gift wie eine Viper, und dein Herz redet verworrene Dinge.“ Er weiß, dass der Alkohol und seine Auswirkungen nicht gut sind, denn wenn ihn einer ‘trinkt, verändert er das Recht.’3 Da Salomo diese weise Einstellung besitzt, ist es kaum möglich, dass er im Hohelied den ‘Wein’ auf einmal anpreist und ihn trinkt – auch wenn in Übersetzungen des Hoheliedes das hebräische Wort ‘Jajin’ meist mit ‘Wein’ wiedergegeben wird. Die Lösung liegt darin, dass in Salomos hebräischer Sprache der Begriff ‘Jajin’ nicht nur für alkoholischen Wein verwendet wird, sondern auch unvergorenen Saft und Nektar meint. Und diese gelten in seiner Kultur als rein und sehr edel. Zur Zeit des Hoheliedes und der Sprüche trinkt Salomo daher sicherlich noch keinen Alkohol, er wäre sonst nach seinem eigenen Urteil verworren, ungerecht und unweise. Doch gerade seine Sprüche sind damit angefüllt, wie ausgesprochen wichtig ihm die Weisheit ist. Denn ‘Weisheit zu erwerben ist so viel besser als feinstes Gold, und Verständnis zu erlangen ist wertvoller als alles Silber’, da ‘der Herr die Weisheit gibt und aus seinem Mund Erkenntnis und Verständnis kommen.’4
In diesem Zusammenhang wird es dann auch verständlich, dass sich das Bergmädchen im Hohelied von einem solchen Mann wünscht, er möge sie unterweisen. Und wenn sie seinen guten Namen mit Salbenduft vergleicht, der seine Runde geht – selbst bis in ferne Länder – findet das ebenfalls in den Sprüchen und im Buch ’Prediger’ sein Spiegelbild. Denn ‘ein guter Name ist wertvoller als großer Reichtum‘ und ‘besser als gutes Salböl.’5
Die Frage bleibt, ob Salomo im Hohelied tatsächlich seine eigene Liebesgeschichte schildert oder ob jenes Bergmädchen, das ‘Schulamith’ genannt wird, sein Wunschtraum ist. Fest steht, dass er eine zusammenhängende Geschichte erzählt, denn er erwähnt nie Schulamiths Vater, der wohl schon verstorben ist. Dafür spricht er mehrfach von ihrer Mutter und ihren älteren Brüdern.
Außerdem gibt uns Salomo noch einen Schlüssel, der uns eine tatsächliche Geschichte nahelegt. In seinen Sprüchen schreibt er wiederholt: “Bei den Bescheidenen ist die Weisheit. - Aber vor dem Sturz will das Herz eines Mannes hoch hinaus - und der Hochmut erniedrigt einen Menschen. Doch der Demütige erlangt Ehre. - Ja, der Hochmut kommt vor dem Fall ... Es ist besser, mit Demütigen bescheiden zu sein.“6
Das sind Salomos Grundsätze, die Gott ihm eingegeben hat und die er auch praktiziert. Wie könnte er aber dann im Einklang mit diesen Grundsätzen im Hohelied ganze Lobeslieder erdichten, mit denen er sich selbst preist? Sich selbstherrlich in Texten zu verewigen ist eher die Art der heidnischen Machthaber seiner Epoche. Es wäre jedoch widersinnig, wenn Salomo mit seiner Einstellung der Demut und Bescheidenheit auf einmal in seinem Hohelied dasselbe tun würde. Es sei denn, neben seinem Stuhl steht vielleicht eine Schulamith an seinem Schreibtisch und wiederholt ihm all die Worte, die sie ihm aus ehrlichem Herzen gesagt hat, oder er schreibt ihre Komplimente aus seiner Erinnerung nieder, als er ihre gemeinsame Geschichte im Hohelied verewigt.
Gottes Weg mit König Salomo
Über den Ausgang von Salomos großer Liebesgeschichte erfahren wir allerdings nichts. Was geschieht mit seiner Schulamith? Stirbt sie vielleicht? Verliert er seine einzig wahre und reine Liebe an den Tod? Trauert er um sie und lässt er sich deshalb vermehrt von seinen anderen Frauen vereinnahmen, um sich abzulenken? Oder muss Schulamith den langsamen Niedergang ihres geliebten Mannes miterleben? Weint sie nächtelang darüber, als Salomo seine wahre Liebe, seine Grundsätze und seinen Glauben verlässt? Betet sie heiß und innig darum, dass Gott ihn zur Besinnung bringen möge?
Wir wissen es nicht. Aber falls sie gebetet hat, wissen wir, dass ihre Gebete erhört wurden. Gott arbeitete an Salomo. Dennoch brauchte Salomo lange, um darauf zu reagieren. Die Reue kommt für ihn spät. Er steht vor den Trümmern seines Lebens. Und er ist sich dessen bewusst, dass er nicht mehr verdient hat, als nur noch ein geringer Knecht zu sein und in einer Stallecke zu kehren. Wie viele schlaflose Nächte mag ihm seine Schuld kosten? Ist seine Schulamith noch da, um ihn zu trösten und zu ermutigen? Wir wissen auch das nicht. Aber wir wissen, dass ein anderer da ist, der für Salomo einen größeren Auftrag hat, als ‘nur zu kehren’.
„Salomo“, könnte Er vielleicht zu ihm gesagt haben, „schreibe mir noch ein Buch für meine Heilige Schrift. Erzähle den Menschen deine Erfahrung. Warne sie und gib ihnen eine Summe dessen, was am Ende wirklich bleibt und wichtig ist.“
Das tut Salomo auch. Er schreibt das Buch ‘Prediger’. Und Salomos Lebensgeschichte wird damit zu einem Stück Geschichte über Gottes Liebe und Gnade: Denn einem Mann, der von Gott so hoch geehrt wurde und der doch so entsetzlich tief fiel, diesem schenkt Gott nach dessen Reue und Umkehr noch einmal die hohe Ehre, ein weiteres Buch zu verfassen, das in die Bibel aufgenommen wird. Und das zeugt nicht so sehr von einem großartigen Salomo, als vielmehr von einem großartigen Gott. Es zeugt von einem Gott, der größer ist als unser größtes Versagen, einem Gott, der grenzenlos liebt.
Gottes besonderes Hohelied im Hohelied
Alle Schriften in der Bibel sind von Gott eingegeben, erklärt der Apostel Paulus. So hat auch Salomo weder das Buch Prediger noch sein Hohelied alleine verfasst. Außer Schulamith war ganz sicher ein anderer bei ihm am Schreibtisch und führte seine Gedanken – der Heilige Geist. Damit ist das Hohelied nicht nur ein schönes Lied über die beispielhafte Liebe zwischen einem Bräutigam und seiner Braut. Es verbirgt sich eine noch viel größere Geschichte der Liebe dahinter – die Liebe eines ‘himmlischen Bräutigams‘ zu seiner irdischen ‘Brautgemeinde‘.
Bereits im Hosea-Buch des Alten Testaments ist es Gott selbst, der sich symbolisch als Bräutigam und Ehemann darstellt und sein Volk als seine Braut, mit der Er einen festen Bund schließt.7 Im Neuen Testament nimmt Johannes der Täufer dieses Bild auf, ebenso Jesus selbst und auch die Schreiber der Apostelbriefe, und es erreicht in der Offenbarung in der ‘Hochzeit’ Jesu mit seiner ‘Brautgemeinde’ seinen Höhepunkt.8 Daher ist das Hohelied mit seinen Bildern auch ein Gleichnis für die Liebe Gottes zu seinem Volk – das heißt zu uns.
Es lässt sich jedoch nicht jede Einzelheit im Hohelied umdeuten. In erster Linie geht es um das Gesamtbild: Jesus kam zuerst nahezu unerkannt als ‘der gute Hirte’ zu den Menschen9, und die Bibel zeugt wiederholt davon, dass Er bald zurückkehren wird, um seine ‘Brautgemeinde‘ zur himmlischen ‘Hochzeit‘ abzuholen. Dieses Mal wird Er aber nicht unerkannt als Hirte erscheinen, sondern als der, der Er wirklich ist ... als der König der Könige.10
Wir werden dann auch erfahren, was mit Salomos großer Liebe geschehen ist. Denn wenn Jesus zurückkehrt, wird Er alle Erlösten aus dem Todesschlaf ins Leben zurückrufen und wir werden sehen, ob neben Salomo auch Schulamith darunter ist. Ich würde es den beiden wünschen. Denn durch den Heiligen Geist inspiriert haben sie uns ein wunderschönes Zeugnis von der Liebe zwischen Mann und Frau hinterlassen ... und damit ein sinnbildliches Zeugnis von der Liebe Gottes zur Menschheit. Jesus kam tatsächlich als armer Menschen-Hirte hierher zu uns, obwohl Er der Regent des Universums ist. Er gab sich selbst, und gab sogar sein Leben. Er wirbt um unsere Herzen, nimmt uns trotz unserer Mängel an und verzeiht uns. Seine Liebe gibt uns einen Wert und verändert uns. Und Er wird uns als Friedefürst heimholen, um mit uns ewig zu leben. Es ist Gottes große Geschichte seiner Liebe. Er möchte in seinem persönlichen Hohelied mit uns verbunden sein, denn ...
Seine Liebe
ist so überwältigend stark, dass selbst der Tod sie nicht bezwingt.
Ungebrochen bis über das Grab hinaus ist die Macht ihrer völligen Hingabe.
Ihr Feuer brennt mit unvergänglichem Glanz,
denn sie ist eine Flamme des ewigen Gottes.
Auch die größten Wasserfluten können sie nicht auslöschen,
und die gewaltigsten Ströme können sie nicht fortschwemmen.
Denn unbesiegbar ist die wahre Liebe von Gott.
i. Hohelied 8,6-7
- i. Spr 19,14
- Spr 27,23 E
- Spr 20,1; 23,31-33; 31,4-5
- i. Spr 2,6; 16,16
- Spr 22,1; Pred 7,1
- i. Spr 29,23; 18,12; 11; 16,18-19
- s. Hos 2,18-22
- s. Joh 3,28-29; Mk 2,19; 2Kor 11,2; Offb 19,6-8
- s. Joh 10,13-15 10 s. Mk 13,26-27
© 2014, Jaimée M. Seis
Der Text ist ein Auszug aus dem Buch ‘Wie ein Lied der Liebe für Dich‘
Informationen zum Buch in den ’Infos’ unter ’Bücher’
Erklärungen zu den Kürzeln und Zeichen in den Bibelvers-Angaben und Bibeltexten stehen in den ’Infos’ unter ’Informatives’