Botin der Freude
Khenn steht auf einer felsigen Bergkuppe, und es ist, als würde ihn hier der Himmel umschließen. Die Bergwelt liegt ihm fast rundum zu Füßen: Schluchten, Täler, bewaldete Hänge, kahle Gebirgsrücken in der Ferne ... und diese grenzenlose Weite. Neben dem Berggipfel im Westen ist bereits die Sonne untergegangen und über den fernen Gebirgsketten im Osten schiebt sich der Vollmond in die ersten Sterne.
„Khenn, du hattest tatsächlich recht“, hört er Siana mit einer bewundernde Stimme neben sich sagen. „Diese Aussicht und dieser Himmel sind es tatsächlich wert, hierher zu fahren.“
Khenn weist mit der Hand über die Berge. „Vielleicht hatte der Prophet Jesaja in der Bibel ein ähnliches Bild im Sinn, als er bestimmte lyrische Verse schrieb.“
„Welche Verse meinst du?“
„Steige auf einen hohen Berg, du Freudenbotin,
rufe mit lauter Stimme, rufe allen zu: ‚Seht, da ist euer Gott!’
Der Herr kommt, Er kämpft mit starkem Arm und regiert als König.
Sein eigener Lohn ist bei Ihm und seine Belohnung geht vor Ihm her.
Das ist seine Herde, sein Volk, das Er weidet wie ein fürsorglicher Hirte.
Und auf dem Arm trägt Er die Lämmer geborgen an seinem Herzen.
Sag mir, wer kann den Himmel mit der Handspanne messen
und kann die Berge auf die Waage legen, die Hügel auf Waagschalen?
Und wer kann den Geist des Herrn erfassen?
Habt ihr es nicht erkannt, oder habt ihr nicht davon gehört?
Der Herr ist ein ewiger Gott. Er ist der Schöpfer der ganzen Erde.
Er wird nicht müde in seinem Wirken,
und unermesslich ist seine Weisheit.“
„Diese Verse bedeuten auch mir sehr viel“, bekennt Siana nachdenklich. „Sie drücken einerseits die Größe Gottes aus und schenken andererseits die Gewissheit, dass Er uns führt und sich um uns sorgt. Ja, wir sind Ihm sogar so wertvoll, dass Er um uns kämpft und uns trägt. Das alles hilft mir zu verstehen, dass ich wirklich nah bei Ihm geborgen bin. ... Und warum gefallen sie dir?“
„Weil all das, was du nun zusammenfassend gesagt hast, eigentlich wahres Glück bedeutet: Sich geliebt zu wissen, und erwidernd zu lieben.“
Die Berge hüllen sich in den königsblauen Mantel der Nacht, der mit unzähligen Sternen bestickt ist. Siana umarmt sich selbst, als wolle auch sie sich in diesen Mantel schmiegen. „Khenn, du hast es noch kürzer zusammengefasst. Wie in deinem Lieblingsvers: ‘Wir lieben, denn Er hat uns zuerst geliebt.’“
Diese Geschichte illustriert ein wenig, wie Gottes Wort auch eine Schönheit in Gedichten und Poesie enthält, bis hin zu meisterhafter Dichtkunst. Schon allein die Schöpfung zeugt davon, dass Gott den höchsten Sinn für Ästhetik und Schönheit besitzt ... und ihn auch auszudrücken versteht. Und die lyrischen Bibelabschnitte, die Er uns durch seine Propheten und Diener vermittelte, erzählen von Gottes tiefen Gedanken in einer Weise, die uns zu berühren vermag. Daher sind die folgenden Seiten lyrischen Texten gewidmet, die entweder der Bibel entstammen oder zu ihr hinführen ... und die uns letztendlich zu unserem Vater und Schöpfergott ziehen wollen, der uns liebt und es uns so facettenreich offenbart ...
© 2008, Jaimée M. Seis
Der übertragene Bibeltext in der Geschichte findet sich im Original in Jesaja 40.
Die Geschichte vor dem Ornament-Zeichen ist auch in dem Buch “Wie eine Perle in meiner Hand“ enthalten.