Im Sommer

Sommer-Poesie

‘Was kein Auge gesehen und kein Ohr gehört hat und sich kein Mensch je in seinem Herzen erträumte, das hat Gott denen bereitet, die Ihn lieben.’

(s. 1. Korinther 2,9)

Die Erdbeere ist durch die Sonne ganz warm. Ich lasse sie auf der Zunge zergehen, schließe die Augen und genieße das süße Aroma. Erdbeeren sind für mich Boten des Sommers. Ich atme tief ein. Der Duft von Heu und Rosen zieht in mein Herz, und Sommerträume werden für mich wach ... In reifen Getreidefeldern flimmert die Abendsonne, der Wald duftet warmwürzig nach Fichtennadeln und Harz, der Vollmond geht rosa auf, leuchtet hell in der Sommernacht und Glühwürmchen schweben wie Sternchen durch meinen Garten ... Tauglitzernde Wiesen im Morgenrot, eine Amsel singt perlend auf der Tannenspitze, Schmetterlinge gaukeln in den Tag, besuchen die rosabemalten Blütenkelche der Ackerwinden, die meinen Zaun wie Girlanden umschlingen ... Wärme im flirrenden Mittagslicht, Heupferdchen zirpen, Schwalben segeln zwitschernd über den Himmel, das Laubdach über dem Weg schimmert vom Licht durchflutet, einsame Vogelgesänge in sommergrünen Weidenhainen, Seerosen auf tiefblauen Teichen, das Plätschern von Fischen, die aus den Fluten springen, und ich sehe, wie sich der Flug der Libelle im glatten Wasser spiegelt ... Laue Abendluft, Dämmerlicht über gemähtem Wiesengras und die letzten Sonnenstrahlen berühren golden meine freien Arme – Sommerduft auf meiner Haut, Sommerduft im Wald, Sommerduft an Wiesenrainen – Geschenke unseres Vaters, eingebunden in Sommerträume ... Sommer, das ist für mich wie ein Gedichtband mit einer Fülle von Poesie, in dem ich blättern darf. Oder wie ein Flakon aus Blauglas, das regenbogenfarben schillert, und das mir Blüten und Früchte und Sommerdüfte bringt, wenn ich es öffne. Oder wie eine Himmelsmelodie, die mich Eden erahnen lässt und mich zum Schöpfer zieht, während ich ihr lausche.

Gott hat eine Welt voller Wunder über uns ausgeschüttet. Es ist wie ein Blick durch einen Vorhangspalt auf das, was unser Vater für uns in der Ewigkeit vorbereitet. Erfüllt mich schon diese Welt mit Staunen, wie atemberaubend muss erst die zukünftige sein. Unser Sommer trägt einen Grauschleier von Plagen und Katastrophen, doch einmal wird das Gewand der Natur frisch und rein aus der Hand unseres Meisters der Schöpfung hervorgehen. Er konnte treuen Menschen wie Henoch, Jesaja und Johannes die Augen öffnen, damit sie uns aus jener Welt ein Gedicht mitbringen, einen Duftflakon, eine Melodie von ‘heiligen Myriaden der Engel, die mit dem Herrn kommen’, von ‘Jubelgesängen’ und der ‘Freude über die Wasserquelle des Heils’, von ‘beieinander liegenden Leoparden und Lämmern’, von dem ‘kristallklaren Wasserstrom des Lebens’, von den ‘Früchten des Lebensbaumes’ und ‘von einem Lichtglanz gleich einem kostbaren Edelstein’¹.

Aber das alles ist noch nichts gegen das eine: wenn wir vor unserem Gott und Schöpfer stehen. Das Herzklopfen, wenn wir Ihm in die Augen sehen und seine Freude darin lesen, wenn wir seine Stimme hören und Er seine Arme öffnet, um uns aufzunehmen ... es muss unbeschreiblich sein. Er ist allen Einsatz wert.

‘Da wir nun eine so große Wolke von Zeugen um uns haben, lasst uns jede Last und Sünde ablegen und mit Ausdauer vorangehen, indem wir auf Jesus schauen, der die Schande nicht beachtete um der Freude willen, die vor Ihm lag.’² ... eine Freude, die auch für dich und mich bereitliegt ... daheim bei Ihm.

¹ s. Jud 14; Jes 51,3; 12,3; 11,6; Offb 22,1-2;      ² 1,11 2 s. Heb 12,1-2

Jaimée M.


(Un)erfüllte Träume

‘... dann werden wir sein wie Träumende.’

(s. Psalm 126,1)

„Die Bäume fliegen an mir vorüber und ich fühle den Wind auf dem Gesicht, während ich mit dem Pferd den Waldweg entlang galoppiere. Jeder Sprung bringt uns immer weiter den Berg hinauf. Ohne den Sattel kann ich die kraftvollen Bewegungen des jungen Pferdes spüren, und seine rotbraune Mähne flattert rhythmisch über meine Hände. Das Pferd ist erst zwei Jahre alt, deshalb nennen es alle ’Baby’. Wir beide waren bei einer befreundeten Familie zu Besuch. Die Kinder hatten natürlich ihre Freude daran, als wir sie auf den Pferderücken hoben und mit ihnen und Baby eine Runde im Garten gingen. Auf dem Rückweg führte ich Baby zunächst am Zügel aus dem Ort. Dann wollte ich aufsitzen. Doch ohne Sattel war das gar nicht so einfach, denn im Gegensatz zu seinem Namen ist Baby ein wahrhaft riesiges Pferd. Ich musste mir einen Felsblock neben dem Weg suchen, um hinaufzukommen. Und nun geht es im Galopp nach Hause zu dem Ferienbauernhof, auf dem ich für eine Sommersaison arbeite. Und es ist herrlich zu reiten! Für mich ist ein Mädchentraum Wirklichkeit geworden ...“

Diese Begebenheit aus meinen Erinnerungen sehe ich noch heute so deutlich vor mir, als würde ich jetzt auf diesem Pferd reiten. Damals hatte sich tatsächlich für einen kurzen Sommer lang ein Traum erfüllt. Seither sind viele Träume zerbrochen oder unerfüllt geblieben. Ich hatte nie ein eigenes Pferd, ich bin noch nie im Meer mit Delphinen geschwommen und ich kann kein Musikinstrument spielen. Immer wieder musste ich Träume loslassen und sie in Gottes Hände legen. Und von manch einem Traum, der mir so sehr wichtig gewesen wäre, hatte ich das Gefühl, mir ist davon nur ein Windhauch geblieben. Gott musste mir geduldig zeigen, dass in seinem Plan dennoch alles einen Sinn hat. Eines Tages werden wir alles verstehen, einiges durfte ich auch schon heute verstehen. Und ich stelle fest, dass der Windhauch, der mir blieb, eine sanfte Berührung von seinen Vaterhänden war. Ich erkannte es nur nicht.

Gott tut nichts Sinnloses mit seinen Kindern. Es macht Ihn glücklich, dich glücklich zu machen. Doch hier auf Erden muss Er noch so manches tun und zulassen, damit Er uns nur irgendwie heimbringen kann. Und Er weiß, was nötig ist, um das zu schaffen. Wir wissen es nicht. Und es ist manchmal schmerzhaft für uns, und für Ihn auch. Er kennt unsere Sehnsüchte, weil auch Er sich sehnt ... nach uns. Und wenn Er uns nach Jesu Wiederkunft zu sich geholt hat, dann kann Ihn nichts mehr davon abhalten, das zu tun, was Er so gerne tun möchte: Träume wahr werden lassen! Diese Gewissheit hilft uns, nur noch ein klein wenig Geduld zu haben. Denn unsere Träume sind nicht verloren, wenn wir sie Gottes Händen überlassen und unser Vertrauen in den setzen, der Träume wahr machen wird. Wir können uns nicht ausmalen, wie das einmal sein wird. Dazu reicht unsere Fantasie gar nicht aus. Und es wird schon bald Wahrheit werden. Hab Geduld. Und vertrau. Die Ewigkeit mit unserem himmlischen Vater wird alles übertreffen, was wir uns vorstellen können. Dort werde ich wieder reiten können, und mit Delphinen schwimmen und mit Engeln Klavier und Querflöte spielen ... und Jesus in die Augen sehen ... und wir werden sein wie Träumende ...

Jaimée M.


Pflaumenbaum und Brennnessel

‘Der Herr pflanzte den Garten Eden, und in seine Mitte den Baum des Lebens.’

(s. 1. Mose 2,8-9)

„Soll ich es wirklich tun?”, frage ich mich unsicher, während ich den alten Pflaumenbaum betrachte. Er steht in einem verwilderten Obstgarten mit einer Holzhütte, inmitten von Wiesen, Feldern und Schlehenhecken. In meiner Kindheit war ich oft hier. Damals war der Garten noch von einem Zaun eingefasst und besser gepflegt. Doch jetzt ist der Zaun zerbrochen, die Hütte morsch, und die Bäume sind von einem ganzen Hofstaat wildwuchernder Brennnesseln umringt.

„Also gut, Herr, die Brennnesseln sollen mich nicht davon abhalten, wieder einmal auf einen Baum zu klettern!“ Vorsichtig suche ich mir einen Weg zu einer kleinen Lücke zwischen den Brennnesseln und halte dann den Ast über mir fest. Doch mit meinem ersten Absprung schaffe ich es unglücklicherweise nicht, mich nach oben zu ziehen, und trete auf den Boden zurück ... natürlich mitten in die Brennnesseln! Ich schüttle den Kopf und lache leise über mich selbst. Ich habe gelesen, dass es manchmal gut für die Gesundheit sei, von Brennnesseln gepiekt zu werden. Welch ein Trost! Doch mit meinem zweiten Sprung bin ich erfolgreich und klettere zum nächsten Ast hinauf. Dort setze ich mich bequem hin und lehne meinen Kopf an den Stamm zurück. In meinen Kindertagen saß ich oft im Spätsommer in solchen Obstbäumen und naschte saftigsüße Pflaumen. Ich fühlte mich dabei geborgen und von der Welt abgeschieden. So fühle ich mich auch jetzt. Allein mit Gott. Nichts um mich herum als nur die wispernden Blätter, und Zweige, die von Moos und Flechten bewachsen sind. Goldene Sonnenstrahlen verwandeln das Blätterdach in eine leuchtend grüne Kuppel. Schwebefliegen summen geschäftig um türkis-unreife Frühsommerpflaumen und Singvögel flattern von einem Ast zum anderen. Ich atme tief ein. Das alles ist Frieden.

Aber das alles ist noch nichts gegen das eine: wenn wir vor unserem Gott und Schöpfer stehen. Das Herzklopfen, wenn wir Ihm in die Augen sehen und seine Freude darin lesen, wenn wir seine Stimme hören und Er seine Arme öffnet, um uns aufzunehmen ... es muss unbeschreiblich sein. Er ist allen Einsatz wert.

‘Ein wenig ähnlich muss der Frieden in Eden gewesen sein. Der Lebensbaum darin muss Früchte getragen haben, an die auch die süßesten Pflaumen nicht heranreichen. Seit uralten Zeiten ist die Menschheit nun schon auf der Suche nach diesem legendären Baum, der ewiges Leben verheißt. Aber habe ich ihn nicht schon längst gefunden? Jesus sagt: ‚Ich bin das Leben selbst.’ Wenn wir Ihn annehmen, besitzen wir das ewige Leben. Er ist mein ’Lebensbaum’, und ich darf die Früchte essen, die Er für mich erworben hat. Er möchte, dass wir jeden Tag zu Ihm kommen und das Lebensbrot in seinem Wort zu uns nehmen. Er füllt uns mit seinem Frieden, weit weg von den ‘Brennnesseln’ der Welt. Diese stille Zeit mit Ihm ist entscheidend, damit wir geistlich und seelisch überleben können. Dort bei Ihm lernen wir, dass Er immer bei uns ist und uns in seine Geborgenheit einhüllt, so wie mich das Blätterdach im Baum einhüllt. Und wenn wir Jesu Früchte essen, werden auch wir Früchte bringen. Schon den keltischen Christen im Altertum schrieb Er durch Paulus, dass Er die Früchte des Heiligen Geistes in uns wachsen lässt, Früchte mit den Namen ‘Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung’.¹ Jesus gibt uns schon heute die besten Früchte aus Eden. Er schenkt uns das Leben. Ja, wir dürfen den Frieden aus Eden und den wunderbaren Lebensbaum bereits heute schon finden. Denn dieser ist unser Heiland. Und Er ist wirklich wunderbar.

1 s. Gal 5,22-23

Jaimée M.


Rotkehlchen-Lieder und ein Jagdhund

‘Ich erschaffe einen neuen Himmel und eine neue Erde. Freut euch über das, was ich schaffe. Wolf und Lamm werden friedlich zusammen sein.’

(s. Jesaja 65,17-18.25)

Das Hainwäldchen hat sich in das frischgrüne Laub des Frühsommers gekleidet. Perlender Rotkehlchen-Gesang klingt durch das Blätterdach, und dieser Musik kann ich nicht widerstehen. Ich suche mir abseits vom Waldpfad ein verstecktes, ruhiges Plätzchen, setze mich entspannt unter einen Baum und genieße die Rotkehlchen-Lieder ... bis ein Schnüffeln vom Pfad zu mir herüberdringt. Was ist das? Dachs? Fuchs? Mir wird mulmig zumute. Aber was da kommt, ist ein Jagdhund! Imposante Größe, und immer der Nase nach geradewegs auf mich zu. Hilfe, und nirgends ist ein Herrchen zu sehen! Mir bleibt nur eines übrig: ruhig sitzen bleiben, nicht bewegen und hoffen, dass mich der Jagdhund nicht entdeckt. Aber das bleibt nur ein Wunsch. Wer hatte schon einmal das ’Vergnügen’, eine fremde Hundenase in Augenhöhe genau vor dem Gesicht zu haben? Ich meine, die Nase eines überraschten Jagdhundes, dessen Schwanz nicht wedelt! Wir beide sind zunächst wie versteinert. Schließlich nehme ich allen Mut zusammen und sage zu ihm zuckersüß: „Na du?“ Wie in einer Explosion springt er vor Schreck mit einem Satz nach hinten, und mein Herz springt vor Schreck mit einem Satz in die Hosentasche. In dem Moment taucht das Herrchen am Waldpfad auf und pfeift seinen Hund zurück. Ich atme auf. ‚Danke, lieber Gott.’ Dann suche ich zwischen Taschentuch und Hausschlüssel mein Herz wieder aus der Hosentasche heraus. So viel zu meinem ’versteckten, ruhigen Plätzchen’. Hellwach bin ich jetzt.

Aber der erschreckte Jagdhund erinnerte mich auch daran, dass nicht nur wir Menschen Angst haben, sondern die ganze Schöpfung mit uns leidet. Sie leidet jedoch unschuldig, wir aber leiden, weil die Menschheit von Gott und von seiner Liebe abgefallen ist und sich daraufhin die Welt veränderte. Doch wie wenig denken wir daran, wenn wir über Mückenstiche, glühende Hitze, madige Äpfel oder eisigen Schneewind klagen. Die Rosen sind nicht schuld daran, dass sie Dornen tragen, und die Biene kann nichts dafür, dass sie einen Stachel hat, um sich zu verteidigen. Es ist die menschliche Verschuldung, die auch heute den Tieren das Leben so schwer macht, besonders, wenn sie wie empfindungslose Esswaren behandelt werden. Dabei brauchen sie so sehr unsere Achtung und unser Mitgefühl. Die ganze Schöpfung sehnt sich mit uns nach der Erlösung, und danach, dass wir Menschen durch die Liebe zu Gott und durch die Liebe zu seiner Schöpfung als mitfühlende Kinder Gottes erkennbar werden.

Es kommt die Zeit, da wird der Wolf wieder neben dem Lamm weiden. Gott wird das Paradies wiederherstellen. Aber auch schon heute möge Er uns einen Blick für die Schönheiten in seiner Schöpfung schenken, und ein mitfühlendes Herz, das Dankbarkeit empfindet. Dankbarkeit, weil die Schöpfung dienstwillig unser Los mit uns teilt ... und weil der Schöpfer selbst willig war, unser Geschick mit uns zu tragen. Er wurde Mensch und litt mit uns, obwohl Er vollkommen unschuldig war. Vielleicht will die schuldlose Schöpfung uns auch an diesen Einen erinnern, der schuldlos und geduldig an unserer Sünde litt. Er will uns erlösen. Und Er wartet nur darauf, dass Er zurückkehren kann. Nehmen wir seine Hand, die Er uns reicht. Er möchte für dich und mit dir das Paradies wieder aufrichten.

Jaimée M.


Gerettet!

‘Ich sage euch:
So sehr freut sich Gott im Himmel über einen Sünder, der zu Ihm umkehrt.’

(s. Lukas 15,7)

Ist das ein heißer Sommertag! In meiner Dachwohnung ist es zu warm, so flüchte ich in den Schatten auf der Dachterrasse. Ich habe einen Karton mit meinen gesammelten Werken mitgenommen, um sie zu ordnen. Wie lange habe ich meine Tagebuch-Aufzeichnungen nicht mehr gelesen. Damals, vor acht Jahren, gehörte ich einer Erste-Hilfe-Gruppe an, und es war so ein heißer Sommertag wie heute ...

„Ich bin für den Dienst eingeteilt und tatsächlich schrillt der Alarm. Mein Dienstpartner und ich rasen mit dem Erste-Hilfe-Wagen und Blaulicht zu einem Restaurant, in dem eine ältere Dame bewusstlos wurde. Wir legen sie auf den Boden, sie atmet nicht und ihr Herz hat aufgehört zu schlagen. Mein Dienstpartner packt sofort die Beatmungsmaske aus und fängt mit der künstlichen Beatmung an, während ich mit Herzmassage beginne. Nach zehn Minuten treffen auch die Sanitäter und der Notarzt ein. Mit ihrer Hilfe ist es uns möglich, die Patientin zu retten. Das Herz schlägt wieder und die Atmung stabilisiert sich. Wir betten sie auf eine Trage und bringen sie zum Rotkreuzwagen. Als wir sie ins Innere schieben, kommt eine Frau zu uns, die im Restaurant geweint hat. Es stellt sich heraus, dass sie die Tochter der Patientin ist. Ich lege mitfühlend den Arm um sie und sage zu ihr: „Gott kümmert sich um alles. Er ist da.“ „Ja, Er gibt uns Kraft“, antwortet sie. „Möchten Sie mit mir beten?“, frage ich. Sie nickt stumm. Nach dem Gebet umarmt sie mich ganz fest. Allerdings spüre ich nun, wie mein Blutdruck sinkt: Die ganze Aufregung, mein leerer Magen und die knallheiße Sonne fordern ihren Tribut. Leise flehe ich: ‚Herr, lass mich jetzt nicht umfallen!’ Da schießt mir der ironische Gedanke durch den Sinn: ‚Wäre das nicht ein fantastischer Moment, ohnmächtig zu werden? Mein Dienstpartner, eine ganze Truppe von Sanitätern und ein erfahrener Notarzt präsent! In meinem ganzen Leben werde ich nicht mehr so eine ideale Gelegenheit für eine Ohnmacht haben!’ Aber ich werde nicht ohnmächtig. Gott bewahrt mich. Als der Rotkreuzwagen zum Krankenhaus aufbricht, umarmt mich die Tochter noch einmal, dankt mir für alles und wünscht mir Gottes Segen.

Alle sind froh, dass ihre Mutter lebt, und wir können wieder lächeln. Das tun auch mein Dienstpartner und ich, als wir uns auf unserer Heimfahrt über die Rettungsmaßnahmen unterhalten, und darüber, wie der Arzt den Sanitätern befahl: „Macht Platz für das junge Mädchen, damit sie den Puls überprüfen kann. Das junge Mädchen soll sich neben die Patientin setzen.“ Ich hatte den Kopf hochgeworfen. Er hatte allen Ernstes mich gemeint! – „Na ja“, sage ich nun zu meinem Dienstpartner im Auto, „meist schätzt man mich ein bisschen jünger als einundvierzig. Aber es ist schon laaaange her, dass mich jemand ein junges Mädchen genannt hat.“ Wir müssen beide schmunzeln und die letzte Anspannung fällt von uns ab. Wir sind alle beide einfach so glücklich, dass wir helfen konnten, das Leben der Frau zu retten.

Wenn es jedoch uns schon so geht, welche Gefühle muss wohl Gott haben, wenn Er jemanden retten und dem Tod entreißen kann? Welche Freude muss Er erst empfinden? Es ist die Freude eines Hirten, der das verlorene Schaf gefunden hat. Genauso schlägt sein Herz höher, wenn Er uns retten kann. Weißt du das? So sehr freut Er sich dann auch über dich und mich. Er ist glücklich, wenn du lebst.“

Jaimée M.


Liebenswert und Wertvoll

‘Ich selbst hebe euch auf meine Arme. Und ich selbst trage und errette euch.’

(s. Jesaja 46,4)

Marit hat beschlossen, dass es den Schulkindern gut tun wird, für Tiere zu sorgen. Deshalb hat sie zwei Ziegen gebracht. Als Lehrerin kümmert sie sich um eine Schar Kinder, deren Familien für eine christliche Stiftung hier in Norwegen arbeiten. Die Schule befindet sich im Untergeschoss eines renovierten Blockhauses aus dem achtzehnten Jahrhundert. Im Obergeschoss wohne ich, während ich in Norwegen bin, deshalb hat es sich schnell ergeben, dass Marit und ich Freundinnen wurden. Und weil das Blockhaus neben einer Scheune steht, gibt es dort auch einen Stall für die Ziegen. Was es allerdings nicht gibt, ist ein Zaun, dafür aber viel Gras rund um das Gelände. Deshalb bindet Marit die Ziegen einfach an lange Seile ... was sich aber als gar nicht so einfach herausstellt. Weil die Ziegen kreuz und quer um die Scheune herumlaufen, flechten sie damit recht abenteuerliche Seilverschlingungen ... die meistens ich entwirren darf, da ich ja oft die Einzige bin, die nachmittags hier ist. Es macht trotzdem Freude, sich um die beiden Ziegen zu kümmern. Die eine hat ein zotteliges Fell mit dunkelbraunen und grauen Flecken und schwarzen Strähnchen. Das kürzere Fell der anderen ist hellbraun und silbergrau gemustert. Es ist schon ein hübscher Anblick, wenn die beiden bunten Ziegen in den lila-blühenden Lupinen stehen.

Aber dann bringt Marit auf ihrem Arm noch eine Dritte, besser gesagt, einen Dritten. Es ist ein junges hellbraunes Böcklein. Und mit ihm wird es lustig. Der kleine Kerl ist natürlich verspielt und schafft es deshalb innerhalb kürzester Zeit, sich in dem langen Seil so zu verwickeln, dass ich eine ganze Weile brauche, um ihn zu entwirren. Durch seine Verspieltheit stolpert er ohnehin von einem Fettnäpfchen ins andere. Den Höhepunkt schafft er, als Marit die Fensterumrahmungen der Klassenzimmer streicht. Sie lässt die weißen Farbtöpfe für eine kurze Pause offen im Gras stehen. Ein Fehler. Denn wen entdeckt sie nach der Pause bei den Töpfen? Oder besser gesagt, halb in den Töpfen? Vielleicht dachte das Böcklein, das Weiße darin sei sahnige Milch. Jedenfalls lässt sich die Farbe schlecht aus dem Fell waschen, und so haben wir nun ein hellbraun-weiß geschecktes Böcklein mit weißem Mäulchen. Aber auch, wenn der Kleine alles Mögliche anstellt, wir alle, einschließlich der Kinder, haben ihn restlos lieb. Wir verwöhnen ihn mit Streicheleinheiten und tragen ihn zu gerne wie einen Schatz auf den Armen.

Wie aber steht es mit uns Menschen? Wir denken oft, dass wir erst dann wertvoll und liebenswert sind, wenn wir es allen recht machen. Doch das müssen wir nicht. Wir machen auch Fehler. Aber wir sind trotzdem von Gott geliebt. Anstatt zu resignieren ist es wichtiger, aus Fehlern zu lernen und wegzugeben, was uns bedrückt, an den, der uns gerne vergibt und uns weiterhilft. ’Sünde ist nicht nur, zu versuchen und zu versagen, sondern es erst gar nicht zu versuchen.’ Auch unnötige Sorgen dürfen wir loslassen. Wenn etwas zu ändern ist, dann packen wir es mit Gottes Hilfe an. Was nicht zu ändern ist, überlassen wir Ihm. Wir müssen uns nicht dadurch wertvoll machen, weil wir alles schaffen. Gott sagt zu dir: ‚Ich liebe dich, nicht aufgrund deiner Verdienste, ich liebe dich, weil es dich gibt. Du bist mein Kind.’

Jaimée M.


Irisches Englisch

‘Nachdem Gott auf vielfältige Weise durch die Propheten gesprochen hat, redete Er am Ende zu uns durch den Sohn.’

(s. Hebräer 1,1-2)

Dadurch, dass ich in der Schule Englisch gelernt hatte, ergab es sich, dass ich nach Irland eingeladen wurde. So flog ich zu der Grünen Insel mit der befriedigenden Gewissheit, dass ich doch recht gut Englisch kann. Aber hier in Irland frage ich mich mittlerweile, wie viel sie von meinen Englisch- Bruchstücken verstehen. An Wörtern fällt mir oft nur die Hälfte dessen ein, was ich eigentlich sagen möchte. Aber wenigstens kann ich für mich behaupten, dass ich inzwischen zwei Drittel von dem verstehe, was die anderen zu mir sagen. Und während des restlichen Drittels lächle ich liebenswürdig ...

Heute bin ich auf einem irischen Bauernmarkt, weil ich ein bisschen mitarbeiten darf. Ich kann auch erfolgreich eine Marmelade und ein Glas Honig und Äpfel verkaufen. Lustig ist es wiederum, mit den Leuten zu sprechen. Wie gesagt, ich dachte, ich kann Englisch, doch der irische Dialekt ist vom Englischen so verschieden wie das irische Wappen-Kleeblatt vom amerikanischen Wappen-Adler. Eine freundliche Dame mit weißen Haaren und Gehstock zieht mich in ein nettes ’Gespräch’. Und das geht so: Sie übernimmt den Rede-Teil, und ich übernehme ausgiebig den Nicken-und-Lächeln-Teil. Mitten in unserer ‘Unterhaltung’ identifiziere ich die Wörter ‘German’ und ‘Boss’ und so kann ich neben meinen „aha“ und „mh“ endlich auch einen vollständigen Satz beisteuern! Zu Deutsch: „Oh! Sie hatten einen deutschen Chef?“ Meine Vermutung trifft offensichtlich ins Schwarze, denn ihr Gesicht strahlt in Zustimmung auf. Ihre Antwort dagegen vermag ich schon wieder nicht mehr zu entschlüsseln.

Hier in Irland habe ich mich inzwischen zu einer ausgezeichneten Zuhörerin entwickelte, die sehr verständnisvoll nicken kann. Man lernt exzellent, in den Mienen der Gesprächspartner zu lesen und ernst dreinzuschauen, wenn diese ernst schauen, und zu lachen, wenn diese lachen. Gott hat mich ja ohnehin als einen eher ruhigen Menschen geschaffen, aber ich denke, wenn ich heimkomme, werde ich mein Rede-Defizit aufholen müssen ...

Sprachen sind für mich einerseits faszinierend. Andererseits freue ich mich auf den Himmel, wenn wir einmal alle dieselbe Sprache sprechen. Aber auch schon hier und heute dürfen wir das verstehen, was Gott uns sagen möchte. Und Gott ist es wichtig, dass wir Ihn verstehen. Deshalb hat Er uns sein Wort, seine Bibel, gegeben. Und Er hat uns Jesus gesandt, damit Er uns erklärt, was wir nicht verstehen, und damit Er uns zeigt, wie Gott wirklich ist. Jesus wiederum hat uns den Heiligen Geist gesandt, damit Er uns hilft, das zu verstehen, was Jesus uns in der Bibel sagen möchte. Wenn wir sie lesen, werden wir Ihn auch immer besser verstehen und Ihm immer näherkommen. Er will uns durch sein Wort führen, unser Leben verändern und uns dadurch inneren Frieden schenken. Wir brauchen in den wichtigsten Fragen unserer Errettung nicht zu raten, Jesus verwendete keine unverständlichen hochtheologischen Wörter, sondern kam zu uns, um jedem die Errettung zu ermöglichen. Du und ich, wir dürfen seinen Plan begreifen. Er sprach eine Sprache, die wir verstehen ... Er sprach unsere Sprache.

Jaimée M.


Die Sterne und die Erde

‘Wenn ich deinen Himmel ansehe, und die Sterne, die Du geschaffen hast ...’

(s. Psalm 8,4)

Erleuchtete Fenster glühen warm in der Dunkelheit. Ich setze mich auf die Stufen der Eingangstreppe. Meine Gastgeber sind schon alle im Haus. Es ist still hier im Innenhof, und ich denke über mein Leben nach. Wie wird es weitergehen? Welchen Platz soll ich ausfüllen? „Mein Vater, wie lange werde ich noch mit diesen ungelösten Fragen kämpfen? Wann werde ich zur Ruhe kommen?“ Meine Frage verhallt – ohne eine Antwort. Mit einem Seufzer blicke ich zum klaren Himmel hinauf, der inzwischen von funkelnden Sternen übersät ist. Im Grunde genommen ist es eine perfekte Sommernacht, um draußen zu schlafen. Dieser Gedanke muntert mich auf. Unternehmungslustig eile ich ins Haus und rolle in meinem Zimmer den Schlafsack zusammen, den man mir als Bettdecke gegeben hat. Dann husche ich wieder zur Haustür hinaus. Gerade heute Abend habe ich auch einen Hausschlüssel bekommen, um die Tür abschließen zu können. Auf einer Gartenliege hinter dem Haus kuschle ich mich in den Schlafsack und atme zufrieden die laue Nachtluft ein. Gott hatte das alles im Voraus gewusst und zu meiner Freude für den Schlafsack und den Schlüssel gesorgt. Hat Er also mein Seufzen gehört? Oh ja, und Er möchte offenbar auch, dass ich hier übernachte.

Ich lausche dem Wind, der in den Hängeweiden wispert, Grillen zirpen einander zu, und langsam kehrt Ruhe in mein Herz ein. Die Sterne über mir sind wie Myriaden glitzernder Diamanten über den samtblauen Himmel gestreut. Dahinter schimmert das Silberband der Milchstraße. Sie ist eine Galaxie, eine gewaltige Sternenspirale. Da unser Sonnensystem zwischen zwei Ausläufern dieser Spirale schwebt, sehen wir sie nur von der Seite. Nach belegten Fakten ist die Erde aber wohl der einzige Milchstraßen-Planet, der Leben tragen kann. Dazu wandert unsere Erde im genau richtigen Abstand mit der richtigen Geschwindigkeit um die Sonne. Auch die Anziehung zwischen der Erde und den Planeten unseres Systems ist im Gleichgewicht, ebenso ist der Standort der Erde zwischen den Ausläufern der Galaxie genau richtig. Und selbst die Sterne dort draußen existieren nicht sinnlos. Alle Sonnen und Planeten unserer Milchstraße sind in der richtigen Beziehung zur Erde angeordnet, um hier Leben zu ermöglichen. Welch ein Gedanke! Alles muss der Erde zum Besten dienen. Weiß ich das? Und weiß ich, dass Gott auch mich zu meinem Besten an genau den richtigen Platz in der Menschheitsgeschichte gestellt hat? Alles, was mir begegnet, soll mir helfen. Er hat einen Plan mit mir, Er umsorgt mich und weiß ganz genau, was Er tut und was ich brauche. Er, der all die Sterne so weise angeordnet hat, damit wir hier auf der Erde leben können, Er ordnet genauso weise alle Dinge für uns, damit Er uns zum Leben führen kann. Und Er hat mir diese Sommernacht, den Schlafsack, den Hausschlüssel und sein schimmerndes Sternenmeer gegeben, damit Er mir das zeigen kann. Er hatte auf mein Seufzen sehr viel zu sagen. Gott ist hier – in allen Lebenslagen. Wir dürfen Ruhe finden in seiner Fürsorge, Er kennt unseren Platz. Er sorgt für jeden von uns. Nichts übersieht Er. Deshalb muss uns alles zum Besten dienen.¹

„Vater, wenn ich deinen Himmel ansehe, das Werk deiner Hände,
die Galaxien und die Sterne, die Du geordnet hast,
wie viel muss Dir erst der Mensch wert sein, da Du Dich so um ihn kümmerst.“

¹ s. in Röm 8,28

Jaimée M.


Ein Ausflug in Irland

‘Ich bin der Herr, dein Gott, der dich zu deinem Nutzen lehrt, der dich auf dem angewiesenen Weg auch leitet.’

(s. Jesaja 48,17)

Schon zu meiner Jugendzeit hatte ich mir gewünscht, einmal Irland besuchen zu können. Und jetzt, da ich gar nicht mehr daran dachte, hatte ich auf einmal die Gelegenheit, nach Irland zu reisen. So erobere ich mir nun an diesem sonnigen Nachmittag die irisch grünen Fluren, indem ich spazieren gehe. In bewohnten Gegenden ist das aber gar nicht so einfach. Die Feldwege enden meist schnell an einem Gatter oder einer Weide. Ein Spaziergang sieht dann folgendermaßen aus:

Über das Gatter klettern (falls man den verrosteten Riegel nicht aufbringt); die Wiese entlang wandern; über den elektrischen Zaun steigen (der unter Strom steht, auch wenn keine einzige Kuh auf der Weide ist); durch das Stoppelfeld schlendern; am Stacheldrahtzaun entscheiden, welche von den drei Stacheldrahtreihen am weitesten auseinander stehen und sich vorsichtig dazwischen hindurchzwängen; gleich dahinter den Graben überspringen; eng am Weidenzaun entlang laufen und fluchtbereit sein, da sich am anderen Ende der Weide junge Stiere aufhalten; über die Feldsteinmauer klettern, die netterweise Stufen für den Wanderer besitzt; einen Pfad durch das Hainwäldchen suchen (auf hinterhältige Brombeerranken quer über den Pfad achten) ... ach ja, und nicht vergessen, dass selbst bei schönstem Sonnenschein eine Regenwolke um die Horizont-Ecke lauert. Man versuche es, mit ihr so abzustimmen, dass bei ihrem Eintreffen gerade ein Baum mit dichtem Blätterwerk in der Nähe steht.

Als ich schließlich nach dieser Abenteuer-Wanderung und einem weiteren Regenschauer auf meinem Heimweg bin, entdecke ich einen wunderschönen Regenbogen. Von fern klingt irische Musik zu mir, während die letzten Sonnenstrahlen mein Gesicht wärmen. Und von den Brombeerhecken am Wegrand pflücke ich reife Beeren, deren süßes Aroma ich nun genießen kann.

Ist nicht auch unser Leben so eine ähnliche Reise? Manchmal liegen die Tage vor uns wie eine grüne Wiese im Sonnenschein. Aber viel öfter müssen wir uns mit Stacheldraht und Mauern auseinandersetzen und wir kämpfen uns durch das dornige Unterholz des Lebens. Wenn wir uns von diesen Hindernissen aufhalten lassen und uns über sie beklagen, kommen wir nicht sehr weit. Wenn wir jedoch von den Schwierigkeiten wegsehen und unseren Blick auf Gott richten, kann Er uns Zuversicht und seine Hilfe geben, um die Probleme in Angriff zu nehmen. Dadurch wird jedes bezwungene Hindernis zu einem kleinen Sieg auf unserem Weg mit Gott. Er will uns dazu ermutigen, die schönen und guten Dinge zu sehen und zu behalten, die Er uns so überreich schenkt. Dinge, die uns tief berühren, über die wir uns freuen oder herzlich lachen. Wir müssen uns nicht auf den Stacheldraht konzentrieren, der uns verletzt hat, und nicht auf die Dornenranke, an der wir mit dem Fuß hängen geblieben und gestürzt sind. Das Schlimmste ist nicht das Fallen, sondern wenn wir liegen bleiben. Gott hilft uns, wieder aufzustehen. Und wir entdecken, dass an den Brombeerranken Früchte für uns wachsen – denn an einem Leben mit Gott reifen wir. Diese Erfahrungen mit Ihm kann uns niemand mehr nehmen. Dann sehen wir wieder seinen Regenbogen, nicht den Regen ... und wir sehen, wie sehr Gott uns mit den Farben seiner Liebe beschenkt.

Jaimée M.